MONDSCHEIN Von PITIGRILLI O skar Krook wurde als Sohn reicher, aber rechtschaffener Eltern in Schweden geboren, der Heimat Christinens von Schweden und des schwe dischen Punsches. Sein Großvater, ein protestantischer Pfarrer, lehrte ihn die Bibel lesen und Harmonium spielen, doch tummelte er sich viel lieber zwischen den Hebeln und Rädern der väterlichen Fabrik. Sein Vater — muß das noch erwähnt werden? — war der berühmte Gustav Krook, Erfinder und Fabrikant jenes Rasierpinsels, der mit dreifacher Geschwindigkeit ausgewechselt werden kann. Im Gegensatz zu den Söhnen von Genies, die unweigerlich Kretins sind (zum mindesten sind es die wenigen, die ich kennenlernte), übertraf Oskar Krook den Vater an Genialität; er besaß gleich ihm das Talent für Mechanik, Mathematik und Erfindung. Seine fünf Schwestern hingegen, sämtlich dürr, lang, schmal wie ein Bund Dietriche, schienen für rhythmischen Tanz, für Blumenmalerei, lyrische Poesie und symphonische Musik geboren zu sein! Sie hatten das Haus sozusagen in einen Basar der Aesthetik, einen Markt der Geistigkeit, in ein „Hotel Meuble“ der Musen umgewandelt. In diesem Hause sprach man nur in Symbolen: Die Griffe der Kommoden besaßen transzendentale Bedeutung. Man bewegte sich nur rhythmisch nach dem Muster griechischer und ägyptischer Basreliefs. Jedes Geräusch, auch das aus der Küche erklingende, hatte ästhetische Bedeutung und eigene Instrumentation. Die fünf Schwestern, in ihrer Schlankheit einem Bund Dietriche vergleichbar, nährten sich von purer Schönheit. Vielleicht waren sie deshalb so mager. 90