Ottomar Starke Speeren und Schil dern an der Wand. Spielte auch in den Gesichtern dieser Menschen ein seltsa mes Spiel —• da kam hinter der ersten Zu rückhaltung und Kühle eine kindliche, fast derbe Heiterkeit zutage, eine Lebens lust, die nichts von Ueberspannung und Nervosität kannte. Ein Humor, der nicht scharf und kritisch, sondern gutmütig und treffend war. Diese Menschen sind nie gehetzt und maschinell unpersön lich. Ihr Wesen trägt den Stempel des „ich habe Zeit“, denn sie haben das Warten gelernt, wenn sie Jahr für Jahr geduldig in das Werden der Scholle hineinlauschten. Sie haben die unbeirrbare Sicherheit dessen, der sich durch Jahrhunderte seines Besitzes und seiner Pflicht bewußt ist. Sie haben den trotzigen Stolz der Bodenständigkeit und des Blutes. Sie haben die Zähig keit des Bauern und die gelassene, selbstverständliche Einfachheit des Vor nehmen. Sie haben die Enge der Rückständigen und die Unbekümmertheit, die konzessionslose Gerade des Machthabers —• alles das haben sie in unsere gewandelte Zeit weiter hineingetragen, und sie kamen mir vor wie ein Fähnlein Versprengter auf verlorenem Posten. Sie werden sich, wenn schon äußerlich, so doch nie innerlich dem Lauf der Welt fügen — sie waren es gewohnt, den Lauf der Welt zu regeln. In dieser Generation werden sie sich nicht fügen! Ich hatte das Gefühl, als schlössen sie sich mit ignorierendem Schweigen hermetisch gegen alles fremde Andrängen ab — selbst meinem schmalen Persönchen ließen sie nicht Raum, denn ich war ein Vertreter der Welt, die nicht in die ihre gehörte. Nicht kühl, nicht schroff, nicht neugierig kam man mir entgegen, aber ich fühlte es ein fach, daß ich aus diesem Kreise ausgeschlossen wurde. Vielleicht, weil ich ihre stolz verborgenen Leiden nicht kannte. Oder weil ich die langsame Gewordenheit und schweigsamen Werte: Bodenständigkeit und Tradition nicht begreifen konnte. Oder weil sie in stiller Abwehr spürten, wie ich mich über ihre Enge und ihre Kleinlichkeiten amüsierte. Ich weiß es nicht. 86