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DER UNBEKANNTE OSWALD ACHENBACH Von BERND LASCH O swald Achenbachs Schaffen wird ganz allgemein unter dem Begriff der repräsentativen Kompositionskunst zusammengefaßt, die als Kennzeichen der Düsseldorfer Schule gilt. In seinen großen Bildschöpfungen zeigt der Künstler, der als Stilist von den Landschaften Schirmers ausgeht, eine koloristische Begabung, die ihn über seine engere Schulumgebung weit hinaushebt, die zugleich verstehen läßt, welche künstlerischen Förderungen er der Genera tion seiner Schüler: Seibels, Bochmann, Hagen, Kolitz, Lutteroth geben konnte. Es ist aber eine bemerkenswerte Tatsache, daß die bisherige Anerkennung des Schulgutes in der Düsseldorfer Malerei manche in der eigenen Zeit unter drückte Aeußerungen echten künstlerischen Empfindens bis heute zu wenig beachtet ließ. Uns stehen solche Beispiele des „unbekannten Düsseldorf“ wie die Studienkunst Oswald Achenbachs wieder lebendig vor Augen. Diese schlichte, unmittelbar wirkende Malerei des Künstlers weicht am deutlichsten in den fünfziger Jahren im Bildcharakter von seiner späteren routinierten Kompositionskunst ab. Achenbachs erste Italienreisen — 1845 Gardasee, 1850 Rom, Tivoli, Frascati, Sabinergebirge, 1857 Rom, Neapel, Capri — bestimmen den malerischen Stil dieser Frühzeit, der zeitlich mit der intimen Landschaft des älteren Andreas Achenbach zusammengeht, diese aber künstlerisch über ragt. Gerade diese Anfänge verraten oft deutlich die künstlerische Beziehung zu Schirmer, dessen Einfluß Oswald Achenbach, ohne sein persönlicher Schüler zu .sein, durch Vermittlung seines älteren Bruders Andreas aufnahm. Nichts stellt aber zugleich die selbständige Begabung Achenbachs in günstigeres Licht als der Vergleich verwandter Motive beider Künstler. Wir zeigen eine „Zypressenstudie“ Achenbachs, die, 1850 im Park der Villa d’Este in Tivoli gemalt, an eine ähnliche, wohl 1845 dort entstandene Arbeit Schirmers erinnert. Schirmer geht mit spitzem Pinsel den deutlichen Umrissen der Zypressen am klaren Himmel nach, er schichtet die Laubmassen voreinander und läßt schmale Streifen Sonnenlicht auf die mageren, festen Stämme fallen. Wie anders beobachtet Achenbach, der mit vollem Pinsel weiches, schwellendes Grün dar stellt, von der Sonne beschienene Stämme breit und locker malt, eher bestrebt, den malerischen Eindruck des Olivgrün und Hellbraun von Laub und Stämmen zu schildern als die genaue Struktur. Diese Verschiedenheit der Auffassungen verraten auch Agavenstudien beider Künstler, deutlicher noch einige Gebirgs landschaften, die, allerdings zeitlich weit auseinander, Schirmer 1839 beiCivitella und Achenbach 1850 bei Tivoli malten. Von der älteren struktiv, zeichnerisch wirkenden Malweise weicht die jüngere rein malerische, pleinairistische Auf fassung entwicklungsgeschichtlich bedeutsam ab. Dieses Aufblühen des male rischen Stils wird selbst von Schirmer bestätigt, der im Verlaufe der fünfziger Jahre zu breiterem, flüssigerem Vortrage in seinen Landschaften gelangt. Oswald Achenbach berührt sich in seinem lebhaften Farbenempfinden mit dem gleichaltrigen Böcklin, der in seinen künstlerischen Anfängen seit 1846 auch von Schirmer beeinflußt wird.