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Seit den weiblichen Mitgliedern der größten deutschen Bühnen dank den genossenschaftlichen Bestrebungen die Sorge um die Kleider abgenommen wurde, ist manches finanziell gebessert. Künstlerisch und geschmacklich nicht! Das Theater liefert, die Schauspielerin trägt. Wie und was sie trägt, ist oft schlimmer, als wenn es nichts wäre. Das Theater zahlt; das Modellhaus, das Atelier hat geliefert. (Hätte es lieber nicht!) Es war dem Atelier natürlich ganz gleichgültig, ob Fräulein Y in das Kleid hineinpaßte, das irgendein Mannequin bei der letzten Modenschau so herrlich zum Siege geführt hatte. Fräulein Y hat es bestimmt nicht zum Siege geführt. Weder sie es, noch es sie. Es gibt in ganz Berlin kaum sechs Schauspielerinnen, die nach ihrem künstleri schen Wert gekleidet auf der Bühne stehen. (Ich nenne sie noch.) Im besten Fall wird „ausgestattet“, das ist sehr schlimm; geht noch an bei der Revue. Ist Sache für sich, aber auf Ausstattung gestellt, also keine Einheit von Kunst werk (Künstler) und Umrahmung. Oder es wird ergänzt! Süß wird zu süß gefügt. Die blonde Schönheit einer Käthe Haack, einer Tölle, wird, statt in schwarzen Samt, beispielsweise in himmelblau oder rosa Taft gehängt. Das Publikum mittlerer Linie sagt dazu „wie süß“. Nicht auszudenken! Die Lustspielsoubrette wird in rosa Tüll ge steckt. Möglichst mit Volants. Oder Stil kleid. („Wie süß!“) Der Kitsch feiert Triumphe. Man hätte es billiger, ge schmackvoller und künstlerischer haben können! Die französische Schau spielerin, besonders die große, bedenkt ihr Aeußerliches aufs genaueste. Dies eine Feststellung. Hut ist zum Kleid ab gestimmt, zur Tasche, zu den Schuhen, diese (ein Kapitel für sich) zu den Strümpfen. Viel liegt bei uns an der Uninteressiertheit der Modehäuser, die die Theater beliefern. Natürlich ist es eine unerhörte Zumutung für eine Schauspielerin, wenn sie in den letzten achtundvierzig Stunden vor einer Premiere, zwischen zwei Generalproben, herumlaufen soll, um sich ihre Sachen zusammenzusuchen. Warum alles stets in letzter Stunde geschieht, hat seine Ursache in den technischen Gründen und Schwierigkeiten des Theaters überhaupt. Diese zu lösen, zu mildern, wäre möglich, wird auch durchführbar sein, sobald man es ernsthaft wollen wird. Hier auch darüber zu sprechen, würde zu weit führen. Kehren wir zu den Opfern zurück. Lieblos wurde der Schauspielerin am Tage der Haupt- und Generalprobe das rosa Tüllvolantkleid geliefert. Zur ersten Generalprobe war es aus steten Krankheitsfällen irgendeiner Direktrice nicht fertig geworden. Ich berichte Betty Delaune