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„BRÜLLE, CHINA!” Eine Inszenierung Meyerholds TP\er große russische Regisseur Wsewolod Meyerhold ist gewiß vielen -1—'deutschen Künstlern und Schauspielern, vielen wahren Freunden des Theaters schon lange bekannt. Er ist einer der wenigen, die die ersten Grund steine für das Bühnenbild der Zukunft legen. Vorläufig ist noch nicht jeder mit ihm einverstanden. Alle, die bei der alten theatralischen Routine verharren, alle, die in ver stockter Gewohnheit wurzeln, die im Leben und in der Kunst nichts von einer Aenderung wissen wollen, — sind seine Feinde. Aber alle, die das Lehen weiterbauen, die schöpferisch begeistert sind und für die neue Welt .kämpfen, vor allem unsere Jugend, — sind mit ihm. Tretjakows „Brülle, China!“ ist seine letzte große bühnentechnische Leistung. Das Werk zeigt den Kampf der unterdrückten Kulis gegen die Engländer, es spielt in einer öden, chinesischen Provinz und behandelt eine wahre Begebenheit. Doch der große Erfolg dieser Aufführung gilt nicht dem Autor, sondern der Regie, deren grandioser Schwung und deren schöpferische Phantasie einen unvergleichlichen Eindruck hinterlassen. Durch einen wirklichen Wasserkanal, auf dem richtige chinesische Boote rudern, ist die Bühne in zwei Teile geteilt. Im Hintergrund der Bühne steht ein englisches Paketboot, dessen große Kanonen drohend auf das Publikum gerichtet sind. Vorn ist eine chinesische Straße, auf der fortwährend Volks massen auf- und abwogen. Chinesische Musikanten, Akrobaten, Rikschen, Fächerverkäufer, fahrende Küchen usw. Im ersten Akt wird die Ausladung im Hafen gezeigt. Es ist ein wirklich großartiges und packendes Bild! Der ganze vordere Buhnenraum ist mit Waren überladen. Eine ungeheure Menge von Packen, Sacken, Kisten und anderen Frachtstücken wird mit großer Mühe und eigen tümlichen, sich immer gleichmäßig wiederholenden Aufschreien ausgeladen. Jede Bewegung, jede Geste der von der Last gekrümmten Kulis ist sehr ausdrucksvoll. Ein Amerikaner, Besitzer der Ware, betrügt bei der Verrechnung die Chinesen und wirft ihnen schließlich ein Häuflein Kleingeld ins Gesicht. Die Kulis hassen und fürchten den Amerikaner, der sie immer wie Vieh behandelt. Während einer Ueberfahrt betrügt er wieder den Bootsmann und beginnt ihn zu schlagen. Es entsteht eine allgemeine Schlägerei. Der Amerikaner fallt ms Wasser und ertrinkt, der Bootsmann entflieht in großer Furcht vor der Strafe. Der zweite Akt bringt uns auf das englische Paketboot, wo das Ertrinken des Amerikaners große Empörung ausgelöst hat. Die Chinesen werden des beabsichtigten Mordes beschuldigt. Der Kapitän droht die Stadt zu bombar dieren und fordert die Todesstrafe zweier Bootsleute, gleichviel ob sie schuldig oder unschuldig sind. Alle Bitten und Flehen der Chinesen erweichen den Kapitän nicht.