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Hanftuch — wer ist jener Elende, der diese Tücher liefert, die wie die Binden jener sind, die zum Erschossen-Werden verurteilt wurden? — Ich sah alle jene schon ausgedienten Pferde, die weder mehr für Leichenbegängnisse fünfter Klasse taugen, noch für Bahnhofsdroschken sechster Klasse, noch für den ärmsten Milchmann! Ich sah die Frauen, wie sie das Gesicht bedeckten! Ich sah das unablässige Sich-Einwühlen der Stiere in die verwundeten Pferde, bisweilen ihnen das Herz auf spießend, so, wie Nieren ä la brochette aufgespießt sind! Ich sah diese geöffneten Leiber, die widerlicher sind, wie die der Krebse, die man im Wunsche, mehr weißes Fleisch zu finden, aufbricht! Ich sah das Blut sich durch die vernähten Wunden ringen, auf den Sand tröpfeln und ihn durchtränken, denn wie die Erde schließlich das Wasser der hef tigsten Gewitter verschluckt, saugt sie das Blut auf, und wenn man tief in den Arenen der Stierkampfplätze nachgrübe, fände man ein großes Brunnenbecken voll Blut! Ich sah dieses Auge, dieses eine Auge des Pferdes, das unbedeckt blieb, sich verdrehen, bis flackernd das Weiße hervortrat! Ich sah das Sich-Einbohren der Hörner in die Pferde, das ihnen das Sattelzeug abreißt, sie in die Höhe schleudert und wieder herunterstürzen läßt, wenn der Stier durch das Strampeln des Sterbenden in Raserei gebracht worden; denn das Pferd ist so edel, daß es ihm nicht einfällt, zu beißen, wo es mit aller Grausamkeit beißen sollte! Ich sah den Pikador, den großen Jockei, der sich auf den toten Pferden zu halten weiß, die bisweilen taumelnd den Endritt nehmen, nachdem sie den Schädel bereits in den Abgrund des Todes hinab gebeugt! Ich sah diese Jockeis des Todes das erblicken, was man vom Bauch erkennen kann von der Höhe ihres Pferdes aus, auf der sie nicht wissen, was geschieht, bis das Pferd fällt! Ich sah jenes schlotterige Skelett des Pferdes, mit langgezogenem, plumpem Schädel, dürrknochigem Hals (einem langen ausgedörrten Drahthals), bei dem es unwahrscheinlich wirkt, daß dieser gewaltige Kopf, wie ein großer Stein, daran gehangen hat; aber vielleicht ist das der Grund, wes wegen es ihn in solcher Müde und abgründiger Mattigkeit zu Boden beugt, wenn es vor dem Tode still steht! Und ich sah, vor alilem in dem Spiel, jenen Augenblick, wo das gefallene und tote Pferd sich im Tod beschmutzt, sein letztes Bedürfnis verrichtet, und so seine höchste Angst vor dem Sterben bezeigt, seinen Schrecken beim Eintritt in den Schatten der anderen Welt, von wo aus es „dies“ macht! Die Augen von Reverte I waren wie die eines wiedererstandenen La zarus und begriffen alles; trotzdem schwiegen sie: schwarz, tief schwarz, nahmen sie, wie die Bäuche von Glastintenfässern voll Tinte, das Zimmer und die Lichter auf. Ich sah ihn sehr ernst an und er innerte mich eines russischen Satzes: Ich dachte, daß die Pferde und die