Picasso EIN SCHEMA DER SALOM£ Von JOSE ORTEGA Y GAS SET Tn der Morphologie des weiblichen Wesens gibt es wohl kaum selt- -Lsamere Gestalten als Judith und Salome, die beiden Frauen, die mit zwei Häuptern gehen, dem eigenen und dem abgeschlagenen. Merkwürdig ist, daß in jeder Art von Wirklichkeiten sich letzte Falle bieten, in denen die Art sich scheinbar selbst verneint und sich in ihr Gegenteil verwandelt. Es sind dies Grenznaturen, die gleichsam zwei enachbartenReichen angehören, wie gewisseTiere, die beinahe Pflanzen und gewisse chemische Substanzen, die fast lebendes Plasma sind. Ihnen haftet das Vieldeutige an, das allem Aeußersten und Letztem eigen ist, wie man denn auch nicht recht weiß, ob der Umriß der Körper, ihre Endigungslinie ihnen selbst gehört oder dem Raume, der sie begrenzt. Eine ernsthaft geführte Betrachtung, die sich weder im Geklipp der Anekdoten noch in Zufallskasuistik verliert, läßt uns das Wesen der Weiblichkeit darin erkennen, daß sie ihre Bestimmung gänzlich erfüllt sieht durch Hingabe des eigenen Ich an ein anderes Ich. Alles übrige weibliche Tun oder Sein hat beiläufigen und abgeleiteten Charakter. Jenem wunderbaren Phänomen stellt die Männlichkeit ihren Grundtrieb entgegen, der sie dazu drängt, sich eines anderen Wesens zu bemäch tigen. Es besteht also eine prästabilierte Harmonie zwischen Mann und Weib, für dieses beruht das Leben in der Hingabe, für jenen ist es ein Sichbemächtigen, und beide Bestimmungen kommen gerade durch ihren Gegensatz zu vollständiger Anpassung. 269