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Gräfin! Von allen Menschenfrauen, deren Bekanntschaft ich ihm vermittelte und deren jede er nach Art, Rang und Bedeutung zu werten, zu behandeln wußte, war ihm keine so nah, freilich auch keine so gewogen wie sie, die ihn zu fesseln, zu sanftigen, zu beleben verstand, deren Arbeitsboudoir sein all morgendlich ersehnter siebenter Himmel war. Diese Treppen flog er förmlich hinauf, und wenn ich zu diktieren und sie auf der Maschine zu klappern be gann, dann kauerte er sich oft neben mich, das in tausend Falten des Wohl behagens verschrumpelte Haupt auf meinen Knien, öfter und am liebsten zwischen die Füße der Schreiberin, mit tiefem Traumröcheln die Klänge von oben begleitend. Und manchmal durfte er dann droben bleiben bei ihr, sich zur Lust, mir zur Entlastung. Wie schön sie dann waren, die gemeinsamen Mahlzeiten, Ruhestunden, Spaziergänge, weiß ich nur aus den Berichten, ahnte sie auch aus Pienzens resigniertem Lefzenlecken, wenn die Seligkeit um war, und er sich wieder mir bequemen mußte. Denn es ist nicht anders: so gern ich ihn hatte, so stolz ich auf ihn war, so sehr ich ihn bekirrte, ja, umwarb, wirklich nah sind wir uns nicht gekommen. Reservierte, manchmal, gar nicht oft, etwas gerührte Duldung war das vornehmste Gefühl, das ich in ihm entfachen konnte. Sicher war ich ihm zu groß, zu dröhnend, viel leicht auch zu Darmstädtisch. Er war eben ganz Nuance, aufs Halblaute ge stellt, kannte nur die Freuden des Uebergangs, und da ich, wie man oben er fuhr, auch kein Objekt für seine Passionen sein konnte, so behalf er sich eben mit mir, weil es unvermeidlich war, ließ sich bedienen und rümpfte, wenn er ihrer nicht zur Feststellung der Riechenswürdigkeiten Münchens bedurfte, mit mildem Vorwurf die im Samt des Gesichtchens reizend vergrabene tiefschwarze Mopsnase. Rümpfte, bis sein Leben einen jähen, ach für ihn unerträglichen Wechsel erfuhr. Juli kam! Die Stadt sollte sommerlich verlassen werden. Ultimops und sein Herr tauchten, nach langwieriger Bahnfahrt, wo „er“ sich musterhaft betrug, die Pluldigungen der ihm meist zu unfeinen Mitfahrer freundlich aber kühl entgegennahm, im Kaiserstuhl auf, dem süddeutschen Wein- und Gebirgswinkel, wo er bis auf weiteres bleiben sollte. Hier begriff er nun gar nichts mehr! Wahrhaftig, er war ein Städter! Das Landdasein war nicht .für ihn, der Garten, der Hof mit einem großen, schwerfälligen, un- angenehm-pflichttreuen Kettenhund, die so ganz ändern Menschen mit ihren unvertrauten Beschäftigungen — nichts war ihm mehr recht. Vom Beginn der Sommerfrische trauerte er, zog sich zurück, blieb fremd. Ich fuhr weiter; der Abschied von seiner Seite gleichgültig, sogar merkwürdig dumpf, tat mir weh. Aber ich sollte ihn ja im Herbste wiedertreffen, mitnehmen, in die ihm ge wohntere Stadthaus-Höhenluft. Es ist anders gekommen! Kaum war ich weg, so ging sein Trauern über in Kränkeln; vergebens mühte sich freundliche Pflege und ärztlicher Beirat. „Ein Staupen-Rezidiv lautete die ernste Diagnose. Die Bulletins, die ich regel mäßig erhielt, wurden ernster und ernster, und als ich zur Zeit des höchsten Jahresjubels zur Weinlese zurückkam, ruhte er schon aus von dem viel zu undistinguierten Dasein! Er, der letzte Nachfahr abgesunkener Welt, er, der Pfotenzarte, der Ultimops. 774