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irgendwie ernst durfte man ihm nicht kommen. Dann erschrak er, ein Aus druck störrischer Hoffart kam in seine kugligen Mopsaugen, und er ward ganz und gar Ablehnung. Vereiste. Nein, es war nicht leicht mit ihm! Zumal er auch körperlich wirklich hinfällig war, trotz seiner Jugend, (seine und meine Leidenszeit füllte die Spanne zwischen seinem ersten und zweiten Lebensjahr) war er wenig gerüstet für die harte Wirklichkeit. Das sonst mit so vielem Recht Hundewetter genannte Hauptklima unserer „mäßigen“ Zonen erregte in ihm Haß, Abscheu und Diarrhöe! Bitte! Und bei einem Ateliergenossen im vierten Stock mit Steiltreppen ohne Lift. Freilich w r ar es eine Art Entschädigung, eine künstlerische Wollust, ihn bei solcher Witterung das kalte und glitschige Asphalt nicht etwa betreten, sondern ge ekelt zurüekstoßen zu sehen, mit einem vorwurfsvollen „das mir“ im Blick. Und mit was für Pfötchen! Meine Hundeerfahrungen sind nicht gering, aber ich darf es aussprechen: nichts Hündisches, das mir je übern Weg lief, kam dem Adel dieser Extremitäten gleich. Elegantest gezogene, vom federnden Fersengelenk zierlich bew 7 egte Schmalbeine endigten in Zehengrüpplein, deren glatte Bällchen wie mit Jungfernpergament bezogen schienen, und die im Schreiten, Schnellen, Springen oder in den seltenen Fällen bittender oder kosender Zärte die ganze Prinzenhaftigkeit des süßen Wedelings offenbarten und den linearen Wuchs — er gehörte nicht zu den breiten täppischen Klump , sondern den zierlichen Rehmöpsen — in eine feinere Sphäre hoben. Und das eben doch unvermeidliche Führen an der Leine wenigstens zu einem Teil genuß gestalteten, den die Anerkennung der Welt, die bereitwillig und manch mal im Uebermaß gezollte, sogar in einem Rausch von Stolz und Selbst befriedigung bei ihm und seinem Begleiter steigern konnte. Denn ich wage es zu behaupten: es ist gewiß schön und schmeichlerisch, um seine Bücher, Bilder oder auch eine Geliebte beneidet zu werden, nichts aber gleicht dem Hochgefühl, mit dem der wahre Hundist oder rechte Kynophile seing'i Genossen preisen hört, oder, so er es gestattet, freundlich streicheln sieht. Auf diesem Felde war nun vermittels des Ultimops alles zu ernten. Zeitlebens blieb er die Sensation der Straße, die Wonne der Gaststätten, der gehätschelte Liebling der Salons. Eine Unzahl freundlicher Episoden wacht auf in meinem Gedächtnis: vornehme ältere Herren, geheime Räte lassen mitten auf der Straße eine entrüstete Gattin stoppen, um sich mit den Worten „nein, da kann man nicht widerstehen“ kosend zu Pienzen niederzubeugen. Bessere Schul meister bleiben stehen und deuten belehrend auf ihn „schaut den charakteristi schen Vertreter einer ausgestorbenen Rasse“. Unzählige Male wird bei seinem Besitzer angefragt, ob „er“ verkäuflich sei, einmal mit der anscheinend aus einer Heiratsannonce übernommenen Wendung „seit sechs Jahren suche ich für meine Freundin solch einen Gefährten“, ja selbst die bekanntlich dem Noblen gegenüber sonst so spröd ablehnende Volksseele öffnete sich Pienzens Reizen weit und gern: „a Mopsele“ scholl es durch die Straßen, durch die ich mich, „ich mit dem Hündchen, einer Kokotte“, nach dem fast zu kritischen Ausdruck einer Freundin, mehr hindurchziehen ließ als eigenmächtig bewegte. Aber wenn auch derart vergoldet, es waren doch Ketten, die ich trug, und die auf Stunden oder Tage abzuwerfen ein seliger Genuß war. Es gab die 773