Volltext Seite (XML)
Im nächsten Augenblick lag etwas Nasses auf meiner Brust, ein zärtlicher Alp druck; die Demütigkeit seines Wedelns zuckte bis ins kreisrunde Aug’ hinauf. Meine Nerven hielten das tollkühne Spiel nicht lange aus; ich wurde schwächer, ging in ein steirisches Sanatorium. Den Hund übergab ich der Be dienerin meiner Pension, die Humor hatte und Mörderinnenaugen. Der Hund haßte sie, sie den Hund. Ich versprach ungeheure Trinkgelder; schärfte ihr ein, vor allem keine Türen offen zu lassen. Ich muß hier bemerken, daß das Tier im Zusammenleben mit mir eine Un tugend angenommen hatte: leidenschaftliche Vorliebe für Kaffeehausbesuch. Wenn ich zu ihm sagte: „Central!“, war es so, wie wenn ein anderer Hund das Wort „Wald“ hört oder „Wiese“. In einer Juninacht kam ich nach Wien zurück. Es war halb eins. „Jetzt ist das .Central' noch offen“, dachte ich, „mach’ einen kleinen Umweg mit dem Wagen und schau’, wer drin ist.“ „Oh, wieder hier, Herr Kuh?“ sagte der Jean bei meinem Eintritt. „G’rad war Ihr Hund da.“ „We — wer war da?“ „No, Inner Hund!“ „Mein Hund? Mit wem?“ „Allein.“ „Wieso? . . . Was heißt das?“ (Sechs Wochen Erholung zerstäubten auf meinem Gesicht zu Kreide.) „Aber er kommt ja jeden Abend eini’. So umma neun, halb zehn is er da, und um zwölf lauft er wieder weg.“ Neun bis zwölf — meine Kaffeehausstunden. „Und was tut er hier?“ „Na nix. Er bettelt die Leut’ an, setzt sich zu dem und zu dem — es g’fallt ihm recht gut!“ Meine Lebensweise! Ich taumelte in den Wagen zurück. „Rasch — Löwengasse 8!“ Das ist kein kleiner Weg; er führt kreuz und quer durch die engen Gassen der inneren Stadt, dann den belebteren Kai entlang, über den weiten Aspern platz . . . Autos sind da, Straßenbahnen, Wachleute . . . o Himmel, was geschah meinem Hund? . . . Vor dem Haus Nummer acht. Ich läute. Die Hausbesorgerin erscheint, ich gebe ihr die obligaten zwanzig Heller. „’tschuldigen, Herr Doktor, ich krieg noch ein’ Gulden . . .“ „Einen Gulden? Wofür?“ „Na, glauben S’, das Hund-Aufsperren ist um sonst?“ „Das Hund . . .??“ „Na ja, jede Nacht setzt er sich um zwölfe vors Haustor und weint und treibt so lang, bis ich ihm aufmach’, das Mistvieh . . . Grad zuvor hab’ ich ihm wieder aufg’sperrt!“ Goldberg