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ZIEH-HUNDE Von AUGUSTE HENSCHKE Noch über den Berliner Wedding hinaus, am äußersten Ende der Müllerstraße, hat Fräulein Auguste Henschke ihr Geschäfts lokal. In der Gegend bekannt und geehrt unter ihrem Firmen namen „Pintscher-Juste“, verkauft und verleiht sie Ziehhunde. Sie wohnt in einer komfortablen Laube, in der sie für sich und ihre Handelsobjekte kocht, die hinter Drahtzäunen rund um die Laube untergebracht sind. m. Qu. ine blühende Branche hatten wir früher, und nach den kleinen Städten ” in der Mark £ eht es J a auch heute noch etwas; und, nun werden Sie lachen, uns hat nicht der moderne Verkehr mit Autos und so die Puste ausgehen lassen, sondern ganz einfach die Eitelkeit der Menschen. Der Mann mit dem Hundewagen ist die schlechtest geachtete Figur auf der Straße. Ob er noch so gut zu seinem Biest ist, er wird scheel angesehen als ein Tierquäler, wo er es doch wirklich gar nicht ist. Wird sich schwer hüten, seinen Hund zu quälen, denn der weiß viel besser als ein Pferd Bescheid, wie er dem Fuhr- herrn die Fuhre verleiden kann. Meistens geht man doch rechts vom Wagen. Sobald Sie nun mal, nur einmal, einen Hund von rechts getrietzt oder ge schlagen haben, so wird er sofort ein Linkser, d. h. er zieht Ihnen die Karre ständig halblinks hinüber und bleibt einfach bei der Richtung, sooft Sie ihn einspannen. So ein Linkser ist das Wertloseste, was es überhaupt gibt, und nur noch gut für den Abdecker. Also, ob er will oder nicht, der Fuhrherr muß gut zu seinem Hund sein, der gerne und ehrgeizig arbeitet, aber tückisch und halsstarrig sein kann, wie ein Muli. Und dabei guckt er einen so treu an, als ob er gar nicht wüßte, wo Gott wohnt. Nein, Tierquäler sind die Fuhrherren vom Fach alle nicht und sogar meist besser als der Kutscher zum Pferd, weil doch beim Pferd meist ein Knecht fährt, während es beim Hundewagen der Besitzer selber ist. Aber was glauben Sie, was so ein Hundewagenfahrer von den Behörden mit Verordnungen gepiesackt wird? In jedem Regierungsbezirk ist es anders, und wenn Sie mit dem Erlaubnisschein von unserem Bezirk mal über die Straße witschen in den ändern, schon haben Sie eine deftige Strafe am Bern, weil da irgendein anderer Erlaß ist. Wissen Sie, daß die Ziehhunde unter dieselben Strafparagraphen fallen wie Löwen und Tiger? Hier können Sie lesen: „Wer ohne polizeiliche Erlaubnis gefährliche wilde Tiere hält oder wilde und bösartige Tiere frei herumlaufen läßt . . .“ Vor ’m Gesetz ist jeder gleich, unsere Amis und Hektors so wie dem Kapitän Schneidern seine Löwen Und nun geht es weiter, über 20 Paragraphen runter und noch ein paar Zentner Zusätze und in Pritzwalk anders als in Neuruppin. Nur im Schritt darf ge fahren werden, wenn der Hund auch noch so gerne rennen will, auf jeden An ruf halten, solange ein anderes Fuhrwerk vorbeikommt, und wenn es eine Mist karre ist, und auf so und soviel Wegen ist das Hundefahren überhaupt ver boten. Ich will ja nichts gegen die Damen vom Tierschutz sagen, die das alles 752