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RIN-TIN-TIN Von GEORG VICTOR MENDEL TTier ist nicht der Ort, filmästhetische Probleme zu erörtern. Hier wollen -L-Lwir uns vielmehr nur mit einer kleinen Nebensächlichkeit befassen, die oft schon den gerechten Zorn so manchen Tierfreundes und Tierkenners erregt hat, da er immer wieder sieht, wie falsch die Filmleute seinen Liebling, den Hund, in ihren Werken behandeln und auswerten. Natürlich haben auch sie gemerkt, welche unendlichen Gemütswerte die Verwendung von Tieren für den F ilm bedeutet. Sie machen deshalb auch überall, wo es nur irgend an geht, ausgiebigen Gebrauch von Viehzeug aller Art, bringen es mit Vorliebe noch im Zusammenspiel mit Kindern und kommen so ganz automatisch fast — auf den Hund, der bei seiner Intelligenz und leichten Dressurfähigkeit das Nächstliegende bleibt. Aber wie tun sie das? Vir müssen da vorerst eine Trennungslinie ziehen zwischen I’ilmen, in denen der Hund lediglich episodenhaft oder gar nur als Staffage aufzutreten hat, und solchen, in denen ihm die tragende Rolle zuge dacht worden ist. Im ersten Falle kann man wenig aussetzen; wo der über schlanke elegante Barsoi der Dame von Welt das Relief gibt, wo der Schäfer hund lediglich als treuer Wächter die verfolgte Unschuld beschirmen, das tap sige Puppy ein amüsantes Gegenspiel zu kindlicher Niedlichkeit bieten soll, da werden selten nur einmal grobe Böcke gegen die Psychologie des Hundes geschossen werden. Und selbstredend gibt es auch Fälle, wo wirkliche Kenner reine Kulturfilme über den Hund im Dienste des Menschen gemacht haben, sei es als Blindenführer, Jagdgenosse oder Polizeigehilfe. Daß hier alles stimmt, darf hier im vorhinein angenommen werden. Ebensowenig soll man sich beklagen, wenn der Hund in den köstlichen amerikanischen Grotesken Aufgaben zugemutet bekommt, die zu seinem eigent lichen Wesen recht /wenig passen; denn da entschuldigt ja die gesteigerte Komik ohnehin jede Unwahrscheinlichkeit im voraus. Schlimm wird die Sache erst, wenn der Hund der Titelheld, eines Films wird. Denn dann soll er mit eigenen Taten die ganze Handlung ausfüllen, die gespickt voll ist mit wilden Sensationen. In derartigen Sensationsfilmen halten sich schon die Menschen nicht allzusehr an die strengen Gesetze der Logik — siehe Harry Piel und Genossen —, obwohl doch gerade ihnen menschenmögliche Taten in Ueberfiille zur Verfügung stehen. LTm wieviel weniger aber kann ein Hund mit seinem immerhin doch recht engen Gedanken- und Körperkomplex einen ganzen Sensationsfilm ausfüllen! Trotzdem ver sucht man es, äußerlich sogar mit einem Scheinerfolg, innerlich jedoch unter völliger Vergewaltigung der Psychologie und Physiologie des Hundes. Das typische Beispiel sind die zahlreichen „Rin-Tin-Tin“-Filme. Zu was allem dieses schöne und zweifellos auch hochintelligente Tier schon mißbraucht worden ist, schreit zum Himmel. Man hat vor allem aus einem Hund eine . . . Katze gemacht! Niemals wird er seinen Gegner nach biederer Hundeart geradeswegs anfallen; nein, er schleicht sich viele Meter — auch Film- 734