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BEMERKENSWERTE NEUERSCHEINUNGEN Schriften der Neuen Schweizer Rundschau. HerausgegeJ)en von I)r. Max Rychner. Verlag der Neuen Schweizer Rundschau, Zürich. Diese Folge von filosofischen Einzeldarstellungen will erkenntnis- teoretisch oder kritisch zu gegen wärtigen Kulturproblemen Stellung nehmen. Filologisch abseitig mutet darin eine Veröffentlichung von A. Bäumler über Bachofen und Nietzsche“ an. Bäumler stellt diese beiden Einsamen in der Filosofie des 19. Jahrhunderts nebeneinander, die sich nur in ihrer Stellung gegen Hegels ..klappernde Dialektik“ einig waren. In diesem engen Rahmen gelingt es ihm nicht, die Weltanschauung des mystischen baseier Rechtshistorikers gegen die Nietzsches überzeugend ab zugrenzen. In einer zweiten Schrift wird eine Abhandlung des verstorbenen katolischen Mystikers Max Scheler ..Mensch und Geschichte“ veröffent licht, in der Scheler mit naturfiloso- fischer Unklarheit einen Überblick über die verschiedenen Formen des Historis mus gibt und dank seiner religiösen Einstellung an dessen wichtigster Form, dem Marxismus, ohne Verständnis vor übergehen muß. DiepositivsteVeröffent- lichung dieser Reihe ist ein Aufsatz von C. G. Jung über ,,Die Frau in Europa“, in dem das gegenwärtige Problem ,.Mann und Frau“ unbeeinflußt von allerlei medizinischen Anleitungen zur vollkommenen Ehe, unsentimental und klar formuliert wird. Jung versteht das Eheproblem als natürliche Folge der gegenwärtigen Kulturkrise über haupt. Er vermeidet eine teoretische Lösung, wo nur die Praxis der gesell schaftlichen Entwicklung entscheiden kann, und begnügt sich an Hand einer gedrängten kulturkritischen Betrach tung der gegenwärtigen Gesellschaft mit der grundlegenden Feststellung: ..Der Kampf der Gegensätze, der sich in der europäischen Männerwelt im Gebiete des angewandten Geistes ab spielt und sich auf Schlachtfeldern und in Bankbilanzen ausdrückt, ist bei der Frau seelischer Konflikt.“ Mit dieser Veröffentlichung liefert die Schriftenreihe ihren Berechtigungs nachweis. In dieser Richtung einer unverschmockten, unverbildeten, un sentimentalen Kulturkritik wäre sie fortzusetzen! Clara Viebig: Die mit den tausend Kindern. Roman. Deutsche Verlags- Anstalt, Stuttgart. Die Geschichte einer jungen Volks schullehrerin und darüber hinaus der Versuch einer Geschichte des deutschen erwerbstätigen Mädchens, das hier den Tatsachen des Lebens etwas hilflos gegenüber steht und einem Idealismus huldigt, der nicht immer echt und ein deutig motiviert ist. Streifzüge durch das berliner Volksschulmilieu und Ge danken über proletarische Lebensver hältnisse werden mit mitleidigen Sen timents unter falschen Voraussetzungen unternommen. Die Dringlichkeit des Stoffes wird durch einen gefühlvollen Haus-, Hof- und Garten-Stil verwischt. Albert Steffen: Lebensgeschichte eines jungen Menschen. Verlag für Schöne Wissenschaften, Dörnach und Stuttgart. Das Tema, das sich dieser Schweizer stellt, ist wichtig: den Entwicklungs gang eines jungen Menschen zu zeigen, der 1914 noch nicht alt genug ist. um den Krieg für eine kulturelle Not wendigkeit und die nachfolgende gei stige Umschichtung und Umwertung für eine vorübergehende Verwirrung zu halten. Aber: solch eine Entwick lungsgeschichte darf nicht den Ein druck pädagogischer Absichten er wecken. sie muß aus den Alterskreisen heraus geschrieben werden, die, einer lehrerhaften Distanzierung unfähig, nur von ihrem eigenen Erleben zu be richten haben. Steffen verliert den Zusammenhang mit dem Jahrgang, den er schildern will, und mündet in einer antroposofischen Atmosfäre, die der Welt seines jungen Menschen, seiner selbst entsprechen mag. nicht aber der Generation, die ihre Zeit zu einer instinktiven Abwehr gegen alle mystischen Verschleierungen erzogen hat. — Sauberer Druck.