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im Film ist. Denn die allgemeine Verwirrung beim Auftauchen einer technischen Neuerung ist ein Symptom für die innere Unsicherheit und das schlechte künstlerische Gewissen der deutschen Filmleute. Mancher behauptet, die ganze Tonfilmaufregung sei nur ein geschickt aufgezogener amerikanischer Bluff, um das große Publikum wieder in die Lichtspielhäuser zu ziehen, nachdem es in die Teater zurückzuwandern begann — angeödet von der stereotypen Gleichförmigkeit der verkommenen Filmproduktion; und da in Amerika eine Reform vom Geiste her heute unmöglich sei, habe man sie von der Technik her unternehmen müssen, — obwohl die Fülle der künstlerischen Möglichkeiten des stummen Films vielleicht erst jetzt in ihrem ganzen Umfange erkannt worden ist. Bewegt sich der deutsche Film in derselben Richtung ? Die letzte stumme Produktion der Ufa ,.Asphalt“, ,,Die wunderbare Lüge der Nina Petrowna“ — beantwortet diese Frage mit einem klaren „Ja!“. Größte Sorgfalt, Atelierbauten von erstaunlichem optischen Reiz („Asphalt“), subtile Regie, gut geführte Menschendarsteller „(Nina Petrowna“) sind hier eingesetzt worden — und das Werk ist von beispielloser Armseligkeit. Soll der Ton nunmehr lediglich als neues Betäubungsmittel dienen, um über das, was in Wahrheit fehlt, hinwegzutäuschen? Ob stummer Film, ob Tonfilm — entscheidend bleibt der Geist, der die Prod uk11 oii 6rfu 111> l iid der ist reuk11oh!i1 - dumm, gewissenlos — also das exakte Gegenteil von Geist. Die Krise der Filmproduktion wird ohne eine befriedigende Klärung der Autorenfrage niemals überwunden werden. MAX BRENNER BLICK IN DIE ZEITSCHRIFTEN In der „Sozialistischen Jugend“ (Heft 1/2, 1929) setzt sich ein Jungproletarier mit Lampels: „Revolte im Erziehungshaus“ und „Jungen in Not“ auseinander. Man durfte es erwarten, daß auf die Dauer sich nicht nur Presse und intellektuelles Pu blikum mit Lainpel auseinandersetzen werden, sondern einmal Die, die es wirklich angeht: die Proletarierjugend. Die ideologische Unsicherheit in Lampels Werk hat dieser Jungproletarier erfreulich klar begriffen. Er meint, daß es wohl notwendig sei. die Verlogenheit der staatlichen Erzieher, die unendliche Not der Fürsorgezöglinge zu zeigen, aber weit wichtiger sei es, diesen unglücklichen Menschen klarzumachen, wie weit das kapitalistische System an ihrem Unglück Schuld trägt. Interessant ist auch, was ein Schüler in „Der Schulkampf, Organ der Sozialistischen Höheren Schüler“ (Heft 2/1929) in einem Aufsatz: „Menschen zweiter Klasse“ zu diesem Tema zu sagen hat: Er empört sich gegen die Beschlagnahme der „Insel“, weil sie das Kapitel „Die geschlechtliche Not“ abdruckte. Seine Empörung macht sich Luft in dem Satz: ..Der Herr Staatsanwalt hat die geschlechtliche Not einfach verboten und damit existiert sie eben nicht mehr“, oder „Die bürgerliche Gesellschaft muß die Erscheinungen ihres eigenen Lebens und ihrer eigenen Lebensgesetze beiseite schaffen, um sich vor diesen ,Auswüchsen 4 zu sichern.“ Wichtige, weil erfreulich klare Äußerungen ganz junger Menschen. In den „Heften für Büchereiwesen“, Heft 3/4 handelt Dr. Bernhard Rang von „der Bedeutung der Sprache in der volkstümlichen Bücherei 44 . Diese Betrachtung versucht klar zu machen, wie es käme, daß das Wort, als Verbindungsglied von Mensch zu Mensch, immer mehr entwertet, zum Schlagwort erniedrigt wird. Der Mensch müsse wieder zum Hörer, zum Warten auf die Stimme des Anderen erzogen werden, und das