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diese neue Sprache sprechen, wenn sie singen: „Wacht auf. Verdammte dieser Erde!“ Dieses Gedicht marschiert mit im Gleichschritt der Massen unter der roten Fahne der Komintern. ÜBER JOHANNES R. BECHERS NEUE GEDICHTE „Die Ehrlichkeit der Zeit ist auf dem Schlachtfeld geboren“ (R. G. Bin- ding). Dies die prägnante Formulierung einer Erkenntnis, für deren Gültigkeit Bechers Lehen untrüglicher Beweis ist. Als „Hochverräter“ während der letzten Jahre verfolgt von einer maßlos aufgeregten Justiz, die auf ihre Weise dafür sorgte, daß sein Name in breiteste Öffentlichkeit drang, überprüft er sein Werk, zerstreut in manchen Verlagen, zum Teil noch immer beschlagnahmt, und stellt eine Auswahl seiner Gedichte zu sammen, die als Buch (im Greifen Verlag, Rudolstadt) soeben erscheint. Dieser Band erschließt mit der seltsamen Bannkraft von Fragmenten und der Uberzeugungsgewalt eines Elements die karakterologische Ent faltung eines Menschen in der sozialen Formation unserer Zeit. „Im Schatten der Berge“ geboren steht Bechers Anfang unter der Macht eines eigen-starken Naturgefühls. Ein Entrückt-Sein tut sich kund: Verloren-Sein im Raum der Welt, wo der Mensch sich im Vergessen „erlebt“, — dessen Zeitferne ihn nur um so heftiger auf sich selbst zurückschleudert. Schon früh durch Zweifel und familiäre Konflikte aus dem Traumparadies der Kindheit aufgeschreckt, erfährt er die tiefst-mögliche Verlassenheit dort, wo der Mensch, urallein mit sich selbst, sein Ich erblickt und es als — fremd empfindet. Hier beginnt ein verzweifelter Kampf um den Ausweg, hart am Rande des Todes, dessen Schatten ihn nie ganz verläßt. Als die Katastrofe hereinbricht und der Weltkrieg ihn den Träumen entreißt, zerstäubt die Fantastik der Jugend, die Kindheit wird ihm Legende, der Mensch beginnt „richtig zu denken“. Aus dem Grauen steigt der Aufschrei nach Friede, doch die Städte, in die er zurückkehrt, sind ruhelos, fiebernd und voll der entsetzlichsten Armut. Er erkennt, daß in den Städten, deren Gesicht den Klassenwiderspruch am deutlichsten zeigt, die Entschei dung fällt. Denn hier, wo die Proleten am Werk sind, in der Fabrik, ist die Heimat und jene Kraft der Gemeinschaft, die auch den Tod über windet. Die Masse nimmt ihn auf, deren Stimme mit der seinen ver schmilzt: in ihm wird ihr Wille Gestalt. Vom Herzblut der Millionen genährt, schlägt aus ihm die glühende Flamme, der Lichtstrahl kom-