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Porzellan nicht richtig? DieAktien haben nun einmal heute durchaus noch nicht alle ihren „richtigen“ Kurs, es gibt manche, die als bezahlt gelten können, es gibt vielleicht sogar einzelne schon überzahlte Aktien, aber es gibt jedenfalls noch mehr Papiere, bei denen man mit weiteren Steigerungen rech nen kann. Lin noch einmal auf die Theorie der Kaufwürdigkeit der ehemals besonders hochbezahlten Aktien zu kommen, so sind ein solches Papier ersten Ranges die Vereinigten Glanzstoff-Fabriken in Elberfeld. Ehemals hatten sie be kanntlich einen Kurs zwischen Coo und 700. Heule ist allerdings ihr Aktienkapital wesentlich höher als damals, aber es wäre nichtsdestoweniger sehr verkehrt, von einer „Kapitalsverwässerung“ bei der Gesellschaft zu sprechen, und im Gegenteil entspricht die Erhöhung des Aktienkapitals nur der Vermehrung der Substanz, die bei der Ge sellschaft seitdem stattgefunden hat. Die Elherfelder Glanzsloff-Eabriken gehören jedenfalls zu den bestgeleilelen Unterneh mungen großen Stils in ganz Deutschland, und noch in der letzten Generalversamm lung konnte die Verwaltung mit einem ge wissen Stolz darauf hinwcisen, die Aktio näre, die seit 191/1 ruhig an ihren Aktien festgehalten haben, hätten nichts seitdeman Substanz eingebüßt. Was man bekanntlich nicht gerade von jeder Gesellschaft und ihren Aktien behaupten kann. Ständig rückwärts gerichtete Menschen werden, als sie das lasen, gesagt haben: Die Aktien hätte man haben müssen. Ganz gewiß •— sie sind übrigens auch schon vor 1914 hier empfoh len worden — ist das richtig; aber als vor wärts gerichteter Mensch muß man sich außerdem sagen: Auf alle Fälle aber muß man ein solches Papier für die Zukunft ins Safe legen; es wird zwar nicht wieder Krieg und Revolution und Inflation geben; aber eine Gesellschaft, die selbst so kriti sche Zeilen derart glänzend überstanden hat, dürfte in Zukunft erst recht keine Sub stanzverluste erleiden. Natürlich gibt es höhere Gewalten, gegen die der einzelne machtlos ist. Aber da außerdem Kunstseide, das Hauptfabrikat der Gesellschaft, niemals bisher eine solche Konjunktur hatte wie augenblicklich, und da außerdem mit der ebenfalls hier wiederholt erwähnten Bem- berg-Gesellschaft ein für beide Teile vor teilhaftes Abkommen getroffen worden ist, so kann man für Glanzstoff-Aktien heute unmöglich flau gestimmt sein. Gewiß, der Kurs kann — wie alle Kurse — auch ein mal zurückgehen, aber auf die Dauer ver lieren kann man an den Aktien nicht, und im Gegenteil kann man sogar mit entschie den größerer Wahrscheinlichkeit daran ver dienen. Über die Kanzler-Kandidatur Luther hat man sich an derBörse nicht sonderlich erregt. Schließlich wird der Börse diese ganze Komödie mit der Regierungsbildung langweilig; die Börse interessiert sich näm lich mit Recht für den Handel mit Effek ten mehr als für den Handel mit Minister posten und anderen Ämtern, den man mit dem sonderbaren Namen „Politik“ belegt. Vor allem aber muß man sich sagen, daß Herr Dr. Luther als Kanzler insofern ganz willkommen ist, als er in diesem Falle nicht auch noch Reichsfinanzminister sein kann. Im übrigen können Herrn Dr. Luther seine hervorragenden und unbestrittenen Rechen künste auf dem neuen Posten nur zustatten kommen; ihm und uns allen; denn Herr Dr. Luther wird den Herren Franzosen schon unwiderleglich vorrechnen, daß sie überhaupt nichts zu bekommen haben, ge nau wie er den deutschen Anleihebesitzern vorgerechnet hat, daß sie in Wirklichkeit gar nichts zu beanspruchen hätten, und daß jeder Pfennig, den sie überhaupt möglicher weise einmal bekommen würden, ein groß mütiges Geschenk des Reichs an sie dar stelle. Hoffentlich bekommen wir nunmehr wenigstens einen Finanzminister, der sich von dieser immerhin ganz originellen Luther-Theorie lossagt, und in diesem Falle würde auch der Anleihemarkt an der Börse sich wieder beleben können, auf dem es heute zwar ab und zu immer wieder eine kleine zeitweilige Belebung gibt, die aber gewöhnlich nicht von langer Dauer ist, son dern immer wieder in sich zusammenfällt.