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Photos Binder Die Operettendiva Lea Seidl deren Lösung Magen, Gaumen und Auge in gleicher Weise betei ligt waren. Vor dem Reichstagsbüfett kann man feststellen, daß jene, die sich immer die besten Sachen weg holen, auch die sind, die einem am kräftigsten auf die Füße treten. Das dürfte mit der Politik Zusammen hängen, die ja bei uns auf dem Plattfuß lebt, der nicht klein ist. Auf unserm Ball gab’s keine Politik, und kein kleinster Seidenschuh hatte ,,Au“ zu rufen. Es war eine der An nehmlichkeiten des Balles, daß kein Poli tiker da war, um Cercle zu halten und so zu tun, als ob er genau alles wüßte, was vor ginge. Auch sonst atmete das Auge auf, viele nicht zu sehen, die immer überall zu sehen sind: Herr Professor Orlik zum Beispiel oder Herr Direktor Friedmann-Frederich. Auch unser populärer Dichterfürst, dessen große Ähnlichkeit mit Goethen unlängst erst wieder den Maler Spiro so verblüfft hat, war nicht eingeladen. Yivos voco ist, wie man weiß, der Wahlspruch Herrn Flechtheims, „die Lebenden rufe ich“, wie ich in dieser Zeit der niederbrechen den Gymnasialbildung rasch übersetzen muß, um verstanden zu werden. Die Toiletten: Von den Fräcken der Herren ist nur zu sagen, daß sie aus nahmslos up to date und im besten englischen Stil waren; nicht ein Milli meter der weißen Weste war unterhalb des Frackrandes sichtbar — selbst bei dem in Modesachen begreiflicherweise etwas zerstreuten Philosophen Max Scheler nicht, der aus Köln gekommen war, wo er sich allerdings so genialer engüscher Schneider wie Fool and Christian erfreut. Herr Egmond Sey- 39