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Betsy, so heißt sie und ist keine kom plizierte Frau. Sie sieht aus wie alle Frauen, die in das gerade schicke Re staurant in der Wilhelm-Straße sou pieren fahren. Eine Hand hat sie in der Schale der Maniküre, die andre auf dem Kissen. Auf ihren rosafarbnen, nicht mehr ganz säubern Peignoir fallen abgebrannte Haarspitzen. Sie hat den Kopf etwas gesenkt und schaut mit einem höchst interesselosen Blick von unten hinauf in den Spiegel. Die Herz kirsche ihres Mundes liegt im Schatten. Eine Brust wie eine weiche kleine Birne kommt aus den schwarzen Spitzen ihres Soutiengorge. Auf ihrem runden Rücken zwischen den Schulterblättern bettet sich die große Schließe eines Kolliers in ein weißes Fett. Auf dem Toilettentisch nichts weiter Über raschendes. Sonst auf Tischchen, Stüh len, dem Boden: Strümpfe, Pantoffel, Schuhe, Blumen, der New York Herald, leere Flaschen. Die Etiketten auf den Koffern, der Coiffeur, der freudlos das orangegelbe Haar dressiert, das weiß- rosa Wesen, die Zigaretten, ich auf dem Koffer, von W. auf dem Bett, beide im Smoking, ein nicht zu definierender Geruch aus Parfüm, angebranntem Haar, Fleisch, Bett und Tabak: alles das sagt hinreichend, daß wir uns in dem befinden, was Herr Vollmoeller heut nachmittag das große Leben ge nannt hat. Der herbeigeklingelte Kell ner bringt Mumm und Whisky-Soda. Es geht auf zehn. Die andere Ameri kanerin kommt, laut, lebhaft, in einem umfangreichen Chinchilla und einem Parfüm, das frisch riecht, weil sie es über die Straße getragen hat. Sie heißt Dolly und ist eine ganz unkomplizierte Frau. Sie sieht aus wie alle Frauen, welche . . . usw. (siehe oben). Darling ... so late . . . Man raucht Abdulla mit Rosenblattmundstück. Betsy ist soweit. Das Kleid ist ex zessiv flach, exzessiv beperlt, zu hell und zu kurz. Auf der Schulter ge- spendelt mit der traditionellen Orchidee, die sich zum Ohr hinauf neigt, wie der Mund eines Telephonhöhrers, dazu be stimmt, aufzufangen, was beim ändern weiblichen Ohr hineingesprochen hier bei diesem Ohr herausfällt. Die Hände sind zu weiß, die Fingernägel zu rot. Zerstäuber, Mantel. Unser Entree um halb elf im schicken Restaurant machte trotz der Stunde keinerlei Aufsehn, denn es war zu voll. Herr Adlon tanzt