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Seite 38 Das Neue Rußland Nr. 1/2 engeren Sinne des Wortes, bestimmt für Erzeng nisse, welche auf photomechaniscliem Wege her gestellt werden. Auf jedem dieser Gebiete hat Sowjetrußland viel Neues geleistet. Jedenfalls kann inan sich kein vollkommenes Bild von unserer Kunst machen, ohne der Graphik be sondere Aufmerksamkeit zu schenken. Den folgenden Überblick kann man mit dem Hinweis auf das Spezifische unsarer gegen wärtigen lokalen Schulen beginnen. In erster Linie muß man die Leningrader hervorheben. Hier herrschte bis zur Revolution die Richtung des ..Mir Isskusstwa“. Der dem Westen gut bekannte Somow, Alexander Benoit, Narbut. Lanceret, Bilihin. Dolmschinski schufen einen ganz eigenen originellen Stil, in vielen an dem Modernismus Deutschlands und Englands sich anlehnend, jedoch noch mehr auf der V er- gangenheit fußend: auf der Lithographie, dem Kupferstich, den Heraldikern und der Bücher vignette des Romantismus, Rokoko und des Barocks. Die Tätigkeit dieser Gruppe, von der so weitsichtig die Autoren Makowski und Radloft, in dem auf der Bugra in Leipzig 1914 erschienenen Buche sprechen, währte noch einige Jahre nach dem sozialen Umsturz. Sie gab eine Reihe von prachtvollen Beispielen der hohen Buchdruck kunst in der obengenannten dritten Richtung, in dem sie die zum Klischieren bestimmte Zeichnung schuf. Die neue Yariierung des Buches „Das Buch der Marquise“ von Somow. Illustrationen von Benoit (Puschkin) und Dobuschinski (Leskow u. andere) in ihren tadellosen Ausgaben von 1922/23 gilt als bestes Beispiel der hohen kulturellen Kunst, welche in der \ ergangenheit ein \ orbild des Nach- eiferns sieht. Wir könnten trotzdem hier schon vermerken, daß die Tätigkeit dieser Gruppe für unsere gegen wärtige Zeit bereits der Vergangenheit, angehört. Das Schicksal zerstreute die obengenannten Künstler außerhalb der Grenzen der RSFSR. Narbut ist tot. Aus der Gruppe des „Mir Iss kusstwa“ setzt seine Tätigkeit nur Kustodiew fort, im wesentlichen kein Graphiker, sondern Maler, wie früher Beweise der höchsten Kunst gebend in seiner realistischen und äußerlich ästhetischen, rhythmischen Art. Als beste Vertreter inder bunten Gravüre aus der sogenannten Gruppe ist noch krau Ostrou- mowa-Lebedewa zu nennen, die sich in der letzten Zeit wie Kustodiew und andere der Lithographie zuwandte. Gerade der Name dieser weitbekannten und feinsinnigen Künstlerin gestattet den Kreis der Leningrader Schule zu erweitern durch den Hinweis auf die Gravüre wie E. S. Kruglikow, der sich in der letzten Zeit auszeichnende Klassiker der Gravüre P. A. Schillingowski, der Porträtist P. I. Neradowski, der Lithograph G. S. W ereiski, Vertreter der jüngeren Generation E. Belucha, A. Litwinenko, J. Tscherkessow, D. Bumen. Abseits steht der in Gustave Dore verliebte Phan tast W ; . Sainirailo; S. W. Tschechonin, ein Meister der sich während der Revolution hervorgetan und eine eigene Sprache seltsamer dekorativer Formen schuf, seine Arbeit nicht nur auf das Buch be schränkend, sondern auch auf Porzellane. D. I. Mitrochin, der typischste Illustrator, W . M. Konoschewitsch, der uns eine ganze Serie wunder bar geschmückter Bilderbücher für Kinder gab. Die aus der Leningrader Schule hervor gegangenen Büchereinbände. Illustrationen, Por träts. Holzschnitte und Lithographien zeichnen sich durch Tradition aus. Das stark entwickelte Stilgefühl und der nicht geringere Hang zum Dekorativen unterstreicht das Individuelle dieser Richtung. Das Zentrum der graphischen Tätigkeit, so zusagen das Herz der zeitgenössischen Schaffens kraft, ist in diesen Jahren Moskau gewesen. Die Geschichte der Moskauischen Graphik hätte sehr interessant sein können. Hier entwickelte sich im Gegensatz zum Leningrader Europäismus, die nationale farbenfreudige, leicht östlich gefärbte aquarelle Illustration. Hier entstand im 20. Jahr hundert zu allererst unter dem starken Einfluß westlicher Zeichner wie Anbrai Beardsley und Thomas Theodor Heine eine vollständig von Leningrad unabhängige Gruppe Büchergraphiker. Die Revolutionsjahre, die Moskau zur roten Residenz des Reiches machten, stellten die Künstler vor neue Aufgaben. Sie führten ihnen die Notwendigkeit des W iderhalls der Ereignisse in der Kunst vor Augen. In Moskau wurden die revolutionären Plakate angefertigt. Meister wie Moor, Deni, Alsisch. Tschremnich stellten ihr großes Können zur Verfügung. Die Buntheit vieler Plakate betrachten wir immerhin vom künstlerisch - graphischen Standpunkt aus, so fern es sich tim die spezifische Aufgabe des Pla kates handelt, wenn auch seine unvermeidliche Vereinigung mit der Schrift der Gravüre und dem Buche näherbringt, als der Bildmalerei. Das Moskauische Plakat ergab zwei Zweiga: seine Technik der farbigen Lithographie sprang in den letzten Friedensjahren auf das Gebiet der Er zeugnisse, der Reklame und der Polygraphie int allgemeinen über. Seiner Form verdankt die satirische Zeichnung vieler glänzender Zeit schriften der letzten Jahre ihren Ursprung. Doch ganz besonders müssen wir die Ent wicklung des Holzschnittes und der Zeichnung als solcher hervorheben. Auf dem Gebiete der vollendeten Graphik jedoch, welche photo-mechanisch erzeugt wird, konnte Moskau niemals auf ein und dieselbe Stufe mit Leningrad gestellt werden. Der beste der neuesten Zeichner, der uns eine wunderbare Serie von Zeichnungen und graphischen Arbeiten gab J. P. Annenkow, gehört hauptsächlich der Leningrader Schule an. Auf dem Gebiete der Gravüre aber stellt Moskau während der Revo lutionszeit solch einen Meister wie Faworski