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Seite 32 Das Neue Rußland Nr. 1/2 Neben (len Bühnenkünstlern sind der Organisation die Artisten, Maler, Bildhauer, Musiker und Schrift steller angeschlossen. In der Gruppe der Bühnen künstler sind ungefähr 22 000 Solomitglieder (Schau spieler und Sänger) organisiert... Die Gagen der Solisten im Bühnenbetriebe belaufen sich monatlich bis zu 450 Goldrubel. Namhafte Schauspieler erhalten bedeutend mehr, und zwar zahlt man ihnen außer ihrem ständigen Gehalt besondere Zuschlagshonorare für jedes Auftreten. Die Chorsänger beziehen ein Mindestgehalt von ungefähr 75 Rubel. \ om Verband sind Normallohnverträge eingeführt, die für jede Be rufsgruppe den Mindestlohn festsetzen. Nach oben ist die Höhe der Gagen nicht beschränkt. Im übrigen besteht auch ein Kollektivvertrag, der die arbeits- rechtliclien Angelegenheiten regelt ... Die V erliand- lungen für ein Gastspiel Meyerholds in Deutschland, das für den Mai in Aussicht genommen ist, sind im Ganoe. Ebenso wird mit deutschen Theatern wegen Veranstaltung von Ensemble-Gastspielen in Leningrad und Moskau verhandelt. Man darf überzeugt sein, daß insbesondere Meyerholds neuartige Kunst in Deutschland dieselbe Bewunderung hervorrufen wird, wie in seiner Heimat. Der deutsche Künstler aber wird jederzeit auch im neuen Rußland eines warmen Empfanges und begeisterter Anteilnahme sicher sein, wie das in der Zwischenzeit eine große Anzahl unserer Kollegen, wie Moissi, Max Schreker, Klemperer u. a., erfahren haben.“ Der Film im neuen Rußland Der Filmindustrie wird eine große Bedeutung bei gemessen als Mittel zur Hebung der wirtschaftlichen und intellektuellen Kultur. Wir erwähnen nur die Worte Lenins, die kurz und deutlich die Rolle des Films bezeichnen: „Von allen Künsten ist meiner Meinung nach die wichtigste für Rußland die des Films.“ Die Filmindustrie im eigentlichen Sinne des Wortes ist noch sehr jung. Man darf nicht vergessen, daß nach der Revolution nur halbverwüstete Heim werkstätten mit vorsintHutlicheni Handwerkszeug vor handen waren. Der Bürgerkrieg, die Blockade und das Fehlen der Rolistoffzufulir aus dem Auslande, ließen die Fabriken in den ersten Revolutionsjahren still liegen. Der kleine Vorrat an Filmstreifen diente zur Herstellung der Chronik der Revolutionsereignisse. Auf diese Weise entstand in den ersten 3 bis 4 Jahren nach der Oktoberrevolution das revolutionäre Film- archiv, welches unstreitig von großer revolutionär geschichtlicher Bedeutung ist, weil es ein vollständiges Bild der Revolutionsereignisse und der sich gestalten den neuen Lebensart widerspiegelt. Die Chronik wird auch jetzt von der Sowjet-Union in weit größerem Maße weitergeführt, als in Europa und Amerika. Der wirkliche Beginn der großzügigen Filmarbeit und der Aufnahmen stellt im Zusammenhang mit dein Wiederaufbau des Wirtschaftslebens des Landes in den Jahren 1922 bis 1923. Das geschäftliche Auf blühen des Filmtheaters und sein Gedeihen geht Ins auf das Jahr 1921 zurück. Die ersten Produkte der Filmindustrie (Die rotenTeufel, Polikuschka, Schloß und Festung) erschienen auf den europäischen und ameri kanischen Märkten und riefen großes Interesse hervor. ln der russischen Sowjet-Union entstand in den letzten Jahren eine Reihe schaffender Filmorganisa- tionen, von welchen die bedeutendsten in RSFSR- Goskino, Proletkino, Meschrabpom-Russj, Sewsap- kino, und den vereinigten Republiken: M ufku in der Ukraine und Goskinprom in Grusien. Bis zum ver gangenen Sommer entstanden ca. 100 Filme, -nicht ge rechnet die Bildungs- und Clironikfilme. Unter diesen Filmen sind 5 bis 6 bemerkenswert durch ihre Technik und das Sujet. Es genügt folgende zu nennen: „Ukrasiju“ (Wufku), „Aelita“ (Meschrabpom-Russj), „Statschku (Goskino), „Tri Schisni“, „Verlorene Güter“ (Goskin prom Grusii) und „Stepan Clialturin“ (Sewsapkino). Zur Zeit befinden sich auf dem Filmmarkte gegen 70 Ausstattungsfilme und bis zum Jahresende wird ungefähr die gleiche Zahl fertig sein, so daß die Pro- duktion in dem laufenden Jahre 1926 die des ver gangenen um 200% übersteigen dürfte. Die besten Filme der letzten Saison sind wohl „Der Registrator“ von Puschkin und „Der Stationsvor steher“ mit Moskwin in der Hauptrolle. Diese Filme laufen schon seit Wochen in den besten Moskauer Filmtheatern und erfreuen sich größten Zuspruchs und bester Kritiken. .... , Qualitativ hat die russische Filmindustrie auch große Fortschritte gemacht. Dies erklärt sich aus der Erweiterung des russischen Filmmarktes, der großen Nachfrage nach russischen Filmen und durch Moderni sierung der Maschinen, der Beleuchtungsanlagen, der Kurhelapparate, welche größtenteils aus Deutschland und zum Teil aus Amerika bezogen wurden, Diese Umgestaltungen, die Erhöhung der elektrischen Kratt- leistung, die Gründungen neuer Fabriken (in der Krim eine, in Odessa eine, in Moskau fünf, in Leningrad zwei, im Kaukasus zwei) schreiten auch weiter rasch vorwärts. Zur Verbesserung der Filmindustrie und der Technik wurden Fachleute zwecks Studiums nach Amerika und Europa entsandt. .... , . Das Sujet der Sowjet-Filme ist vielseitig, doch wahren sie ihren eigenen Charakter. In dem teilweise durchgeführten und vorgemerkten Plan für 1926 sehen wir historische und revolutionär- historische Themen, wie z. B. „Die Dekabristen „Stenka Rasin“, „Das Jahr 1905“, „Der 9. Januar , 26 Kommunards“, „Gospodin Wihki Nowgorod^, ’.Romanowtscliina“, „Die Verschwörung Rasputms , „Puschkin und Nikolai I.“ und andere. Wir geben hier nachstehend eine kurze Erläuterung einiger Filme: „Die Dekabristen“: Am 14. Dezember 192o waren 100 Jahre verflossen seit dem bekannten Aufstand einer Gruppe adliger Offiziere, die mit dem Regime in Rußland nicht zufrieden waren. Der Aufstan wurde nach der Thronbesteigung Nikolai I. unter drückt, die Anführer gehängt, die anderen Mitschul- digen nach Sibirien verbannt. „Stenka Rasin“: Der Führer der Bauernerhebung Ende des 17. Jahrhunderts, einer der volkstümlichsten Helden in der russischen Geschichte. „Der 9. Januar“: Die Erschießung der Arbeiter am 9. Januar 1905. Die Arbeiter begaben sich in tned- lichem Demonstrationszug zum Zaren, um eine V er- besserung ihrer Lage zu erbitten. Der Führer des Zuges war der Geistliche Gapon, der sich nachher als Spitzel entpuppte. Die Ereignisse am 9. Januar waren der Ur- sprung des revolutionären Aufstandes des Jahres „26 Kommunards“: Organisatoren und Führer der Sowjet-Regierung im Kaukasus, welche ungerechter weise von englischen Regierungsheamten unter Bei hilfe der Menschewiki-Regierung erschossen wurden.