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MITTEILUNGEN UND BESPRECHUNGEN Arno Brekers Zeichnungen. Mit dem Anbruch eines neuen architektonischen Zeitalters, das den Ästhetizis mus des 19. Jahrhunderts überwindet, sind auch dem Bildhauer neue Aufgaben gestellt. Das Werk des jetzt 44jährigen Arno Breker ist ein Beispiel für die sich immer stärker ausprägende Zusammengehörig keit von Baukunst und Plastik. Nach einem unge stümen Suchen, das bezeichnend für die Jugend der Nachkriegsjahre war, ist Breker auf dem Wege über eine immer ruhiger werdende und plastisch gefestigte Form zu einer Kunst gereift, die das Kämpferische mit dem Organischen zu vereinigen sucht und die nicht zuletzt zum Sinnbild unserer Zeit geworden ist. Aber nicht von der plastischen Monumentalität seiner kämpferischen und heldischen Gestalten soll hier die Rede sein, sondern von einem ganz anderen, den meisten Kunstfreunden unbekannten Breker: dem Zeichner von ursprünglicher Kraft, der uns jetzt ge stattet, die geheime Werkstatt seiner Empfindungen und seiner künstlerischen Intensität aufzusuchen. Dazu muß zuvor daran erinnert werden, daß Breker in den Jahren 1927 bis 1933 in Paris gearbeitet hat. Aus dieser Zeit stammen auch die Zeichnungen, die der junge Verlag von Eduard Stichnote in Potsdam in einer Mappe vorgelegt hat. (Arno Breker, „Zeich nungen", In einer Mappe 50,— RM.) Diese zehn Blätter in Feder und Kohle (davon zwei getönt) stellen beim ersten Eindruck Bewegungs studien dar, aber man fragt sich: Sind es nur Be wegungsstudien? Oder wird nicht durch sie das Geheimnis der Kunst überhaupt in eigen empfunde nen Variationen über den menschlichen Körper in seiner Hüllenlosigkeit, der schon immer das große Thema der europäischen Kunst war, offenbart? Von Adolf Schinnerer stammt das vortreffliche Wort: „Was ich begreife, kann ich besser darstellen als das, was ich nur sehe, und ich sehe deutlicher, was ich ver stehe." Damit sei darauf verwiesen, daß es eine Aufgabe der Kunst sei, schön durch offenbarte Wahrheit, durch reine Empfindung zu sein. Was Breker zeigt, sind keine Darstellungen der äußeren Dinge der Formen, etwa als Resultate anatomischer Weisheit, sondern die innere Natur, ungeduldig und großzügig hingeworfen und doch aus heiliger Not wendigkeit, ein phantastisches Linienspiel wie eine geheime Ursprache mit geistvollen Akzenten. Im naturalistischen Sinne sind diese Blätter in der Kühn heit der Verkürzungen und Übersteigerungen im ein zelnen vielleicht „Verzeichnungen", wem aber Kunst mehr ist als ein photographisches Abbild der äuße ren Wirklichkeit, wird diese Dokumentationen der inneren Notwendigkeit eines ursprünglichen künstle rischen Gefühls zu dem Schönsten und Bewegtesten rechnen, das seit den Zeichnungen eines Rodin, Mailion und Kolbe sichtbar geworden ist. Die vorliegenden Blätter im Format 31 :47,5 cm sind im Faksimiledruck von der bekannten Offizin von Eduard Stichnote in Potsdam hergestellt. Das ist das einfachste Druckverfahren, das man kennt, und man fragt sich angesichts dieser ganz ungewöhnlichen Leistung, weshalb man sich bei anspruchsvollen Re produktionen von Zeichnungen nicht schon immer dieser vortrefflichen direkten Drucktechnik bedient hat. Nun, die Offizin von Eduard Stichnofe hat be reits damit einige Erfahrungen. Das Handschriftliche der Zeichnungen ist in einem nicht meh.r zu über treffenden Maße gewahrt und übertragen. Wer Ge legenheit hatte, das Original mit dem Druck bei sammen zu sehen, konnte kaum das eine von dem äderen unterscheiden. Hier bestehen für die Ver vielfältigung des reichen Schatzes alter und neuer Zeichenkunst ungeahnte Möglichkeiten, wie sich denn auch der rührige Verlag die besondere Pflege der Bildhauerzeichnung angelegen sein lassen sollte. Walther G. Oschilewski Alte Kunst, lebendig. Der unlängst erschienene große Tafelband: Alte Kunst, lebendig. Bildwerke einer Kunstsammlung. Beschrieben von Hubert Wilm. Auf genommen von Alfred Ehrhardt. 40 Seiten Text, 181 Tafeln. I. B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, mit dem die Kunstfreunde beschenkt wer den, ist geradezu eine Sensation auf dem Gebiete der Kunstpublikation. Und das im doppelten Sinne-: erstens zeigt und beschreibt er bedeutende Werke mittelalterlicher Plastik, deren bisher nur wenige in wenigen Stücken durch interne Kataloge und Aus stellungen ansichtig wurden, praktisch also der größeren Gemeinde der Kunstfreunde unbekannt blieben, und zweitens werden diese Bildwerke in ganz ungewöhnlichen Wiedergaben gezeigt, von deren besonderem photographischen Aufnahmeprin zip noch weiter unten gesprochen werden soll. Bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich um die Sichtbarmachung einer der ganz wenigen be deutenden deutschen Privatsammlungen mittelalter licher Plastik. Bei den hier gezeigten, beschriebenen und katalogisierten Bildwerken handelt es sich um eine Sammlung von durchaus persönlichem Gepräge. Dem Besitzer dieser Kunstwerke kam es nicht darauf an, auf dem ihm besonders am Herzen liegenden Kunstgebiet nach möglicher Vollständigkeit zu stre ben oder aus der mittelalterlichen Bildnerei nun die besten Meister und Vertreter der Lokalschulen zu sammenzubringen. Als ein Mann, in dem sich täti ger Geist mit einer ungewöhnlichen künstlerischen Gefühlssicherheit verbindet, hat er sich in seiner Liebe zur Kunst vor allem den ausdrucksstarken Früh zeiten der Plastik zugewandt und nur die Stücke seiner Sammlung zugeführt, die ihn in ihrer Aus druckskraft angesprochen haben. Auf diesem Wege des persönlichen Erlebnisses und Urteils hat er das Gesicht seiner Sammlung in erster Linie durch das dreizehnte und noch stärker durch das vierzehnte Jahrhundert bestimmen lassen. Eine kleine, aber er lesene Auswahl charakteristischer Werke der Spät- 42