WIRTSCHAFT UND WERBUNG| Dr. WALTER PUTTKAMMER SIEBEN MILLIARDEN KAUFKRAFTMINDERUNG IM JAHRE 1931 Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit — Die Wirkungen der Gehaltskürzungen Die Arbeitslosigkeit Im Frühjahr 1930 ist an dieser Stelle versucht ^ worden, die Auswirkungen der damals schon sehr beträchtlichen Arbeitslosigkeit auf die Massen* kaufkraft zahlenmäßig nachzuweisen. Die da* mals angewandten Berechnungsmethoden können sicherlich auch für die heutige Situation mit ihrer weiterhin gestiegenen Arbeitslosenziffer an sich Richtigkeit beanspruchen. Und doch würde das so erlangte Ergebnis kein vollständiges Bild mehr geben von der Beschränkung der Kaufkraft der deutschen Bevölkerung. Deqn die Situation ist in* zwischen wesentlich komplizierter geworden. Nicht allein, daß die an sich schon geringe Kaufkraft der Arbeitslosen durch die Abwanderungen aus der Versicherung in die Krisenunterstützung und aus dieser in die Wohlfahrtfürsorge auf ein Niveau gesunken ist, auf das die positive Bezeichnung als Kaufkraft kaum noch anwendbar ist, so daß man nur noch von einer Not des Nichtkaufenkönnens sprechen kann. Es haben sich dazu auch in anderen Richtungen riesigeAbstriche an dem Kaufvermögen des deutschen Volkes ergeben, die ziffernmäßig nicht leicht faßbar sind. So haben sich auch die noch beschäftigten Arbeiter gewaltige Lohn* Senkungen gefallen lassen müssen; dazu steht 1 ein beträchtlicher Prozentsatz der Arbeiter heute in Kurzarbeit (von 100 Gewerkschaftsmitgliedern sind jetzt etwa 30 arbeitslos und 20 Kurzarbeiter). Hinzu kommt, daß auch alle anderen Einkorn* mensgruppen Reduzierungen unterworfen gewesen sind, am erheblichsten wohl die Angestellten* und Beamtengehälter. Wesentlich sind auch die Min* .-»derungen der Kaufkraft, die durch die erhöhten Steuerleistungen und Beitragssätze zur Arbeits* losenveisicherung entstanden sind. Nun ist es allerdings nicht so, daß diese Sum* men vollständig der Kaufkraft und damit der Nachfrage auf dem Warenmarkt entzogen sind, zu einem Teil handelt es sich nur um Umlagerun* gen. So dienen ja gerade die Beitragserhöhungen, zum Teil auch die Kürzung der Beamtengehälter und die Steuererhöhungen dazu, die Arbeitslosen zu unterstützen, und so erscheinen die auf der einen Stelle dem Markte entzogenen Summen an einer anderen wieder als Nachfrage. Allerdings richtet diese Nachfrage sich nun auf ganz andere Konsumgüter: es ist der Markt der lebensnotwen* digen Güter, der nun eine Stützung erfährt, wäh* rend die Kaufkraft auf dem Markt des »elastischen Bedarfs«, d. h. aller der Dinge, die nicht züm Aller* notwendigsten gehören, zusammenschrumpft. Nach Berechnungen des Konjunkturforschungs* institutes, deren Unterlagen und Methode bisher noch nicht mitgeteilt sind, deren kritische Erörte* rung also erst später erfolgen kann, ist das Brutto* einkommen der Arbeiter und Angestellten zu* sammen im zweiten Vierteljahr 1931 durch die ansteigende Arbeitslosigkeit und durch die Lohn* und Gehaltskürzungen rund 12 Proz., d.h. D/i Mil* liarden RM niedriger gewesen als im Vierteljahre vorher. Diese Zahlen werden als ziemlich genau bezeichnet. Es ergibt sich für die Arbeiter und Angestellten ein Einkommensausfall für das erste Halbjahr 1931 gegenüber 1930 von nahezu 3 Mil* liarden RM, wobei die Erhöhungen der Steuern und Beiträge noch nicht berücksichtigt sind. 69