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W. L. GEBAUER EINIGES ÜBER DEN PLAKATANSCHLAG IN DEUTSCHLAND Der Artikel „Es ist an der Zeit" von W. Suhr im letzten Heft dieser Zeitschrift wird nicht in allen Lagern volle Anerkennung gefunden haben. Es läßt sich gar vieles gegen die darin nieder gelegten Gedanken einwenden, denn es ist nicht gut, flüchtige Beobachtungen, die z. B. in der Schweiz gemacht wurden, einfach auf deutsche Verhältnisse übertragen zu wollen. Und je ernster die Ausführungen genommen werden, um so größer ist auch die Gefahr, die den am Plakat interessierten Kreisen aus einer solchen ein seitigen Darstellung erwächst. Es sei mir gestattet, einiges über das Plakat- Anschlagwesen auszuplaudern, da es sonst nicht möglich ist, die Plattform für eine sachliche Aus sprache zu gewinnen. Es wird in dem Aufsatz des Herrn Suhr der Plakatsäule zum Vorwurf ge macht, daß sie nicht mehr modern sei, die zur Verfügung stehende Anschlagfläche sei zu klein, das Plakat könne an der gekrümmten Fläche nicht zur vollen Wirkung kommen. Hierzu möchte ich vorausschicken, daß die Schweiz, auf die als Vorbild hingewiesen wird, gleichfalls Plakatsäulen besitzt und zwar immer dort, wo es aus verkehrstechnischen oder an deren wichtigen Gründen nicht möglich war, eine Plakattafel zu errichten. Wir haben auch in Deutschland Städte, in denen die Anschlagtafel überwiegt, so z. B. München mit etwa 1000 Tafeln und nur 200 Säulen oder Essen mit 300 Tafeln und 200 Säulen oder Gelsenkirchen mit 140 Tafeln und 60 Säulen. Es handelt sich hierbei nicht etwa um eine vom Plakatinstitut willkürlich getroffene Regelung. Die Gründe, daß man statt der mit einem Blick zu übersehenden Tafel die Säule, die ja letzten Endes nichts anderes ist, als eine zum Zylinder zusammengerollte Plakatwand, gewählt hat, sind äußerst wichtiger Natur, und Städte, die ja zumeist keine lockere Bauweise besitzen, son dern eher eine Konzentrierung und Zentrali sierung des gesamten Geschäfts- und Verkehrs wesens auf ein bestimmtes Stadtgebiet auf weisen, sind für die Errichtung von Plakattafeln ein äußerst undankbares Gebiet, und in fast dien Straßen und an allen Plätzen ist es aus vielerlei Gründen völlig ausgeschlossen, auch nur eine Tafel zu errichten. Der Plakatanschlag kann aber nicht auf diese Gebiete verzichten, er muß sowohl im Stadtkern wie in den Außen bezirken wirksam sein, und je dichter das An schlagnetz im Stadtzentrum ist, um so größer ist sein Wert für den Reklametreibenden. Hier ist die Streuung am größten und die Erfolgschance für den Auftraggeber am höchsten. Es muß aus der Not eine Tugend gemacht werden, und man errichtet lieber eine Anschlagsäule, als daß man ganz auf den so äußerst werbewirksamen Stand ort verzichtet. Die Errichtung einer Plakatsäule ist der einzig gangbare Weg, um dem Reklame bedürfnis der Industrie zu entsprechen. Ein Gang durch das Stadtzentrum, sei es nun Berlin, Frank furt a. M., Hamburg, Leipzig, Zürich, wird jeden davon überzeugen, daß keine Möglichkeit be steht, die Säulen durch Tafeln oder ebene An schlagflächen innerhalb der Hauptstraßen zu er setzen. Erst außerhalb des Stadtkerns bieten sich Gelegenheiten, die auch ausgewertet werden. Eine Plakatwand ist bedeutend billiger zu er stellen als eine Plakatsäule, und es ist für den Plakatanschlag-Unternehmer kein Grund vor handen, die teuere Säulenform zu wählen, wenn eine Plakatwand errichtet werden kann. Nimmt man aber die Säulen aus den großen Verkehrs straßen fort, ohne einen Ersatz dafür bieten zu können, so bedeutet das nichts anderes als die Vernichtung des Plakatanschlages überhaupt. Man macht nicht nur die Plakatinstitute über flüssig, sondern auch alle Kreise, die jetzt für das Plakat arbeiten und mehr oder weniger vom Plakat leben, denn es wird keinem Unternehmer einfallen, Plakatreklame zu treiben, wenn er nicht die Möglichkeit hat, an die breite Masse heran zukommen, sondern auf vereinzelte Anschlag stellen angewiesen ist, die, und mag das An schlagnetz noch so wirksam sein, nichts weiter sein können, als verlorene Plätze. Gerade die Vielzahl, das enge Netz der Anschlagmöglich keiten innerhalb der Stadt ist das Wertvolle, und das Plakat wird auch heute noch genau so gut seinen Aufgaben gerecht wie früher', wenn auch niemand mehr fragt: „Haben Sie schon die neuen Anschläge gelesen?" Aber man hat das Plakat von Hohlwein „Und Du?" oder „Meßmer Tee" gesehen, und zwar nicht einmal, sondern 20-, 30-, 40mal bevor man im Kontor seinen Hut an den Nagel hängt. Und das Plakat der Berliner 64