KARL l WALTHER „Die Totgefagten leben lange!" Auch in der Reproduktionstechnik fcheint lldi dieses alte Wort wieder einmal zu bewahrheiten* Der Stahlftich, der feit mehr als 50 Jahren faft vollftändig in der Verfenkung verfchwunden war, ift zu neuem Leben erwacht und das, was man neuerdings von ihm lieht, deutet darauf hin, daß es noch gute Weile haben dürfte bis zu feinem endgültigen Abtreten von der Bühne der Drudcerfchwärze* Ein kurzer Rückblick auf die Entftehung und gefdiiditlidie Entwicklung der erhabenen „Kunft, in Stahl zu ftechen", dürfte gerade jetzt von be- fonderem Interelfe fein* Sein direkter Vorfahre ift der alt-ehrwürdige Kupferftich* Das Verdienft der eigentlichen Vaterfdiaft gebührt einer kleinen Gruppe von englifdien Kupferftediem, die unter Führung von Charles Heath im Jahre 1820 den Stahl in den Dienft ihrer Kunft ftellten* Unendlich viel Geduld und eine ftarke Erfinderzuverficht gehörten da mals, als Metallographie und Chemie noch in ihren Kinderfchuhen ftedcten, dazu, um das harte, unzugängliche und fpröde Metall des Stahls der Radiernadel und dem Grabftichel zu unterwerfen* Als der erfte Erfolg da war, wurde mit verdoppeltem Eifer an der Höherentwicklung der neuen Technik, Siderographie genannt, weitergearbeitet, und die Welt konnte bald mitStahlfüchen erfreut werden, die die größte Bewunderung aller Kunftfreunde und ein gewiffes Neidgefühl in der kontinentalen Künftlerfchaft hervorriefen* Auf die Dauer konnten die Engländer ihre neue Errungenfdiaft allerdings nicht für ihr Infelreidi monopolifteren* Dank richtiger Kombinationen und eigener Experimentalerfolge gelang ungefähr um das Jahr 1830 herum fowohl deutfchen, wie auch franzö- ftfdten und italienifdien Künftlern ebenfalls die Löfung des Problems* Unter den Deutfdien ift befonders der Karlsruher Maler und Radierer