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ERWIN DAS PROBLEM IN den Reisebureaus, die an den Wänden mit Plakat* bildern aller schönen Gegenden der Welt bepflastert sind, liegen auf einem großen rundenXisch allerlei Pracht* und Sammelwerke, die die Schönheiten von Städten und Landschaften preisen. Es könnte vielleicht einer von denen, die sich in den Fauteuil setzen und auf Abferti* gung warten, einen von ihnen zur Hand nehmen und nachlässig geruhsam darin blättern. WXnn nun ein fin* diger Kopf käme und setzte an Stelle dieses Buches mit seinen Buchstaben und starren Bildern den lebendigen Film? An findigen Köpfen aber mangelt es nicht und so ist der Stadt* und Landschaftsfilm genau ebenso alt wie der Film überhaupt. Zwischen dem Landschaftsfilm, wie er früher war und als sogenanntes Beiprogramm durch die Kinotheater lief, und dem Stadtfilm, wie er nun sein - oder vielmehr erst werden — soll, ist aber ein großer Unterschied; denn der Film von damals war E r s a t z fürs Reisen, der Film von heute und morgen soll vielmehr Anlockung zum Reisen sein. Er soll so anmutig und packend gestaltet werden, daß in dem Beschauer der ununterdrückbare Wunsch geweckt wird, das, was im Laufbilde an ihm vorüberzog, selbst zu erleben und durch den eigenen Augenschein zu vervollständigen. Nicht also in erster Linie da, wo das geruhsame und seßhafte Menschentum zu finden ist, also in den Kinotheatern, sondern da, wo die große Welt pulsiert und die Globetrotter vorbeijagen, soll ein solcher Film sie - wenn auch nur für eine kurze Stunde — in seinen Bann zwingen. Auf den großen Schnelldampfern, in den Luxuszügen, auf den Ausstel* lungen, Messen, kurz überall, wo Betrieb und Geld ist, müßte und muß der Stadtfilm laufen. Aber der Stadtfilm will mehr; er will nicht nur ein Werber, sondern auch ein Verkünder sein. Er will die Kunde, die Kenntnis von Stadt und Landschaft über den engen Bezirk hinaus in alle^Velt tragen. Als Mittler einer ganz neuen Art von geographischer Unterrichtung ersetzt er Beschreibung und Abbildung durch das Er* lebnis selbst. Schulen und Hochschulen, Vereine und Gemeinschaften werden binnen kurzem dieses geogra* phischen Lehr* und Unterhaltungsmittels nicht mehr entraten können. Die Erfolge des »Nanuk«, der Süd* amerikafilme, der »^Wunder des Amazonas« und der »Besteigung des Mount Everest« wiesen hier den Weg. Auch der deutsche Stadt* und Landschaftsfilm wird nunmehr den Ehrgeiz haben, die Anforderungen, die diese großen Aufgaben an ihn stellen, zu erfüllen. In zwei Worten kann gesagt werden, was er nicht sein darf und leider bisher noch allzu häufig war: Er soll weder ein verfilmtes Postkartenalbum sein, in dem die schönen Stadtansichten zwanglos aneinandergereiht erscheinen, noch ein verfilmter Baedeker, der alles, was mit einem r\rlAr twpI Rternrhen zu versehen wäre.auf dieLeinewand 82