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Dr. EDGAR DREHER / WERBEFILM*PSYCHOLOGIE Es ist ein Unterschied, ob der Werbechef einen Film macht oder der Filmmann. Der eine fragt: wie kann ich die Vorzüge meiner Fabrikate im Film möglichst vollständig zum Ausdruck bringen? Der andere fragt: was wollen die Leute sehen, und wie mache ich mit den gegebenen Mitteln einen wirksamen Film? Beide haben recht, wird man sagen, und müssen Einer Rücksicht auf den Standpunkt des Ändern nehmen. Das sagt sich leicht und wäre noch leichter getan,wenn nichtim Hintergründe die Frage stände: wie hast du’s mit der Unterbringung? Soll der Film im Familienkreise aufgeführt werden, so kann kein Filmmann Erhebliches einwenden, wenn sich sein Auftraggeber auf den Standpunkt stellt: Ich bezahle den Film, also bestimme ich, was auf* genommen wird. Soll der Film aber in die Öffent* lichkeit gebracht werden, so ist jede Konzession desFilmmannesanden We r b e c h e f meist für jenen ein berufliches Verbrechen, das letzten Endes Filmmann und Werbechef zu büßen haben. Einwand: Was nutzt mir mein Film, wenn er nicht für mich Reklame macht? Gegenfrage: Was nutzt mir ein Film, der für mich Reklame macht, wenn ihn keiner sehen will? Die Industrie hat fünf Jahre lang Werbefilme machen lassen, bei denen oft genug der Reklame* chef dem Filmmann das Konzept verdorben hat. Seit eben diesen fünf Jahren bemüht sich die Film* industrie — man muß schon sagen: krampfhaft — darum, Unterbringungsmöglichkeiten für solche Filme zu schaffen. Gegen Bezahlung ist ein lustiger Reklamefilm, der nicht zu lang und gut gemacht ist, überall leicht unterzubringen. Das ist aber, besonders für das Ausland, relativ kostspielig, und die Wirkung genügt nicht in den Fällen, in denen es sich um mehr handelt als Markenreklame. Das wesentliche Problem war daher von vorn* herein, Filme technisch belehrenden Inhalts, die gleichzeitig für das gezeigte Fabrikat werben sollten, dem jeweils in Frage kommenden Käuferpublikum vorzuführen. Ein nicht uner* heblicher Teil des deutschen Nationalvermögens wurde zur Lösung dieses Problems aufgewendet. Da namentlich das Ausland freiwillig deutsche Propagandafilme nicht spielen wollte, so wurden Theater gekauft; und bis man dahinter kam, daß die entscheidende Instanz gar nicht die Theater* besitzer sind, sondern das Publikum, das kein Verlangen zeigte, die gegen Eintrittsgeld werbenwollenden Filme zu sehen, da war inzwischen so mancher kostspielig erworbene Theaterbesitz aus Mangel an Einnahmen wieder verlorengegangen. Nach diesem längst der Geschichte angehörenden Versager für das Problem der Wirtschaftspro* paganda begann ein heißer Wettlauf der übrigen Filmfirmen nach Unterbringungs* möglichkeiten. Die einen suchten das Heil darin, daß sie sich mit Spielfilmen einen Ab* satzmarkt schufen, dem dann hin und wieder ein industrielles Kuckucksei ins Nest gelegt wurde. Andere hielten Filmvorträge, konnten aber auch mit diesen naturgemäß keine anderen Erfahrungen machen, als sie schon von den Theatern gemacht waren, daß nämlich das Publikum für Propaganda selbst dann nichts zahlen will, wenn es dabei etwas lernen kann. Vorführungen auf Messen und Ausstellungen, ein an sich glücklicher und ausbaufähiger Gedanke, leiden zurzeit noch an einem gewissen System* mangel. Einem beliebigen Publikum beliebige Filme vorzuführen, hat geringen Wert. Endlich kam man auf einen neuen Gedanken: der Industriepropaganda eine quasi Flieger* deckung zu schaffen, indem man sie unter Landschafts* und Städteaufnahmen ver* steckte. Das leuchtete ein: fremde Städte, histo* rische Stätten, schöne Gegenden sieht jeder gern, und es schmeichelte der Eitelkeit des Herrn Bahn* hofswirts, wenn ihm gesagt wurde, die Tische und Stühle seiner Wirtschaft seien in solchem Maße charakteristisch und bedeutungsvoll für die dor* tige Gegend, daß sie — versteht sich, gegen tarif* mäßige Gebühr —in dem Film nicht fehlen dürften. Solche Filme fanden denn auch, selbst wenn sie zwei Kilometer und länger waren und ebenso viele Stunden Vorführungsdauer beanspruchten, in der betreffenden Stadt selbst ein immerhin interessiertes Publikum. Die Bahnhofswirtschaft interessierte den Wirt, der Laden mit sanitärem Porzellan seinen Inhaber, und so fand jeder etwas, was ihn mit der Existenz des Films aussöhnte. Außerhalb der Stadt selbst sind solche Filme wohl selten einem zahlenden Publikum vorgeführt worden und haben auch wohl weder dem Bahnhofswirt einen Gast, noch dem ge* nannten Laden einen Klosettauftrag eingebracht. Man kann mithin nicht sagen, daß die zahl* reichen Versuche, Filme von Reklamecharakter unter der Lehr* oder Kulturfilm*Maske vor das Publikum zu bringen, sehr glücklich gewesen wären. Um so merkwürdiger, daß man sich nicht längst die Frage vorgelegt hat, ob denn mit dem so heiß ersehnten Ziel, den Werbefilm nur irgendwie untergebracht zu wissen, wirklich etwas er* reicht ist, ob nicht überhaupt die ganze Angelegen* heit vom verkehrten Ende aus angefaßt worden ist. Jeder Unternehmer weiß, daß er nur Erfolg haben kann, wenn er geschäftliche Über* 78