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Steinchen heraus, um es einzeln zu betrachten, so kann es unter Umständen tot und leer sein — denn vielleicht ist es gerade dazu bestimmt, ein Über» gang, eine Vermittlung zu einem ganz besonders leuchtenden Nebenstück zu sein. Man kann daher von einer Aufnahme niemals auf den ganzen Film schließen — es sei denn, man hat sich vorher genau in das Studium des Ganzen, des Manuskripts, ver» senkt. Wenn nun hier im folgenden Entwürfe für Film» bilder gezeigt werden, so sind diese nicht einmal als Teile eines Films, sondern nur als Entwürfe zu Teilen eines Films zu betrachten. Es sind die Entwürfe für die Herrichtung eines der vielen Mosaiksteinchen, welche für das Ge» samtmosaik Film notwendig sind. Es sind reine Merkblätter, die ihre eventuelle graphische Schönheit nur als private Marotte tragen — ihre künstlerische Bewertung liegt im Verhältnis zur Brauchbarkeit für den Film, für den sie ge» macht sind. Wohl kann aus einzelnen dieser Blätter, aus dem Stimmungsgehalt der szenischen Komposition, aus der Eigenart der Erfassung des Bildraums und aus dem Tonverhältnis von Hell und Dunkel, ungefähr auf die Gesamtanlage des Films geschlossen werden, es kann auch eine eigen» artige künstlerische Erfassung vermutet werden — aber zum richtigen Erkennen auch der Leistung des Bildbaues ist erst beim Beschauen des fertigen Films die Möglichkeit gegeben. Filmentwürfe zu zeigen ist ebenso heikel wie das gelegentliche Zuschauen bei Filmaufnahmen. Der ewig kritische Geist, der gerne ein Ganzes sieht, wird meistens enttäuscht, denn nur ungern wird ersieh bewußt,daß er ja hur einenTeil des Ganzen vor sich hat. Zwar sind häufig diese einzelnen Teile so faszi» nierend, so vom Nimbus einer Selbständigkeit um» geben, daß sie nur zu oft zur unwillkürlichen Meinungsäußerung reizen. Es ist eine böse Falle, die da durch die Seltsamkeit einer neuen Kunst» gattung unbeabsichtigt gestellt ist — sie hat schon manches Opfer und manchen Verdruß gekostet. Uns Fachleuten, die wir mitten im Film stehen, klingt es häufig in die Ohren: »Ja, warum machen Sie denn das so und so — das paßt doch nicht, oder kann nicht stimmen « Der ruhige, sichere Geist hat dafür ein Achselzucken mit der lako* nischen Bemerkung: »Abwarten, bis der Film fertig ist!« Der Nervöse und Unsichere beginnt zu schimpfen und dann , doch das soll die Höflichkeit verschweigen. Den neugierigen und voreiligen Filmzaungästen möchte ich sagen: Ich warne ! Dieser Blick hinter einige Kulissen des Films verfolgt in der Hauptsache den Zweck, die künst» lerische Leistung eines sehrwichtigen und meistens noch zu wenig gewürdigten Teilgebiets des Films, nämlich des Bildbaues, zu zeigen. Wohl wird gebaut — oft aber so seltsame Dinge, daß sie mit dem Normalbegriff »Bau« kaum noch zu decken sind, denn häufig ist mit der bekannten Form dem gewünschten Bildaus» druck nicht beizukommen, besonders dann nicht, wenn nicht mehr die reale Dinglichkeit von Ge» bäude oder Raum gefordert wird, sondern nur ihre Visionen, ihre Schatten. Hier ist es notwendig, die normalen Dinge zu übersetzen, sie von ihrer natürlichen Wirkung zur impressionistischen oder expressionistischen Er» scheinung zu steigern — gewissermaßen den Dingen eine ganz spezielle, nur für eine ganz be» stimmte Szenenpsychologie notwendige Form zu geben. Damit ist hier nicht die meistens recht brenz» lich»dumme Stilisierung oder, richtiger gesagt, Ma» nirisierung der äußeren Form zu irgendeiner ab» strakten oder »expressionistischen« gemeint, son» dern allein die Steigerung zum dramatischen Aus» druck, dessen bildliche Form nur vom Inhalt der Szene abhängt. Stimmungen, Ausdrücke werden gebaut —bei einerSzene, die eineermüdend endlose Landstraße braucht, ist das zu bauende Motiv nicht die Landstraße, sondern das Er» müdende, das Endlose! Aber alles was für die Szene gebaut oder ge» macht wird, muß vom Objektiv des Aufnahme» apparates erfaßt werden können — das ist die Wissenschaft des Filmbildbauens, die durch stetig neu quellende Phantasie ergänzt und bereichert werden muß! Das Wesen eines Filmbildes ist die dramatische Kurve, also die Bewegung — hier liegt das offene Geheimnis des »lebenden Bildes«. Nichts darf im Film tot sein — selbst der ge» baute Hintergrund, der Szenenbau muß leben; das zu erreichen ist die künstlerische Aufgabe des Filmbildbauens! 5