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Befähigungsnachweis für filmkünstlerische Arbeit ist. Sich unter sein Werk unterzuordnen, das Ein* zelne und Persönliche in Hinblick auf das Ganze zu dämpfen — gewissermaßen immer das Ganze zu sehen und sich niemals im Detail zu verlieren, diese Notwendigkeit jeder künstlerischen Ensemble* arbeit gilt auch als wichtigste Forderung für den Film. Das ist das zunächst Wichtige, welches be* griffen werden muß — es ist die notwendige Disziplin, ohne die jede Arbeit in der Kunst scheitert. Der Künstler, der seine Genialität dadurch zu erkennen geben will, daß er beharrlich — oder häufig auch dickköpfig — an seiner Meinung fest* hält, ist untauglich für gemeinsame Kunstarbeit, also auch untauglich für den Film. Niemand darf im Film sagen: ich will das so und so haben — selbst der leider zu häufig selbst* herrliche Regisseur nicht! — der szenische Vorgang bestimmt einzig: so und so muß es sein! Die endgültige Lösung jeder Szene wird aus den Besprechungen derobenerwähnten drei Dirigenten gefunden; sieistdieEssenz, die nach Durchprüfung der technischen Notwendigkeiten, der Regie, der Photographie und Beleuchtung und des Bildbaues als bestes Ergebnis herauskristallisiert wird. Wie ein unendliches Klippenmeer wimmeln im Film die technischen Notwendigkeiten, sie sind die Gefahr der Unerfahrenen, die sich selbst und den ganzen Film an nur einer von ihnen zum Scheitern bringen können — für den Geübten aber sind sie Brücken und Sprungbretter, um immer wieder zu neuen Ideen und Möglichkeiten zu ge* langen. So ist der Film ein seltsames Gemisch von künst* lerischer Hingabe an eine vorgefaßte Idee, Er* kennen und Beherrschen der Filmtechnik aller Ge* biete und von gegenseitiger Anpassung. Was hier in allgemeiner Betrachtung gesagt wurde, gilt für jedes der Filmarbeitsgebiete im be* sonderen. Für den Bildbau ist nicht nur die Praxis des Bauens notwendig, sondern des Bauens für den Film; dasheißt: erkennenundberücksichtigen der Notwendigkeiten für die Regie, für die Be* leuchtung — Abstimmung der Farben auf photo* graphische Wirkung und Gestaltung der Film* Perspektive. Bis hierher ist alles noch technische Not* wendigkeit, reines Handwerk. Darüber hin* aus gilt es nun, unter absoluter Beherrschung des Handwerks zum künstlerischen Ausdruck zu ge* langen! Hier erst beginnt die Aufgabe der Kunst — einer Kunst, die sich nicht in Ausgelassenheit und Frei* heit austoben kann, sondern die an organische, technische Gesetze gebunden, ihr höchstes Ziel nur in strengster Gesetzmäßigkeit findet. Gutes Handwerk ist noch keine Kunst; aber es ist gerade hier die alleinige Brücke, die zur Kunst führt! Im Gebiete des Filmbaues ist daher der ge* schickte, alle technischen Notwendigkeitenberück* sichtigende Bau noch nicht die künstlerische Lei* stung — erst dann kann er zu solcher werden, wenn er in Form und Stimmung den dramatischen Ge* danken der Szene unterstützt, zum stärksten Aus* klang bringt und sich dem Spiel der Darsteller als rechter Hintergrund unterordnet. Ganz besonders ist es eine technische Not* wendigkeit, welche die künstlerische Filmarbeit sehr erschwert; es ist dieses die nur in den aller* seltensten Fällen mögliche Gelegenheit, die ein* zelnen Szenen eines Manuskripts in ihrer natür* liehen Reihenfolge der dramatischen Steigerung aufzunehmen. Die Gefahr, den Faden zu ver* lierenund das harmonische Auf* undAbsteigen der dramatischen Kurve zu verwischen, ist durch diese, nur in der Aufnahmetechnik liegende Schwierig* keit sehr groß. Selbst in der kleinsten Szene muß die Linie, der Faden, beachtet werden und der ganze Film über* blickt sein; eine zeitweise Verwirrung oder Trü* bung des Gesamtblickes während des Aufnahme* Vorgangs kann unübersehbare Folgen für einen Film haben. Der Film ist vergleichbar mit einem ungeheuren Mosaik, dessen jedes Steinchen besonders und außerhalb der Reihenfolge der späteren künstle* rischen Gesetzmäßigkeit hergestellt wird. Jedes dieser Steinchen bekommt eine besondere Form und Farbe durch die spezielle Bearbeitung des Re* gisseurs, des Operateurs und des Malers. Die Arbeit der Aufnahmetage bedeutet nur dieHerstellung der einzelnen Steinchen — die Zusammensetzung derselben geschieht in wochenlanger mühevoller Arbeit dann erst, wenn die Maschinerie der Aufnahme stilje geworden ist. Nimmt man sich nun gelegentlich eines dieser 4