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DIE AUFGABE DES MALERS BEIM FILM VON ROBERT HERLTH, BERLIN SlE wird immer schwieriger. Als er zur Infiations* zeit noch Hintergründe baute, da war er hochge* achtet. Die großen Bauten machten das Objekt zum Großfilm — ohne Westminster*Abtei keine »Anna Boleyn« und kein Jannings. Durch diese Groß*Kulisse allein »stand« dieser Film. Später ist sie dann allerdings in die Luft geflogen wie? Heute ist man all’ der Atrappen müde. Man kann diese pappenen Kolossalitäten gern missen. Auch der Geschäftsmann hat umgelernt. Das so* genannte Bild ist dem Bildlichen gewichen — soweit ernste Objekte in Betracht kommen. Das gern gebrauchte Wort: »Ein Film erstirbt an seinen schönen Bildern« — hat Geltung gefunden. Das Bildhafte muß jetzt Ersatz schaffen. Alles, auch das Spiel, ein Blick, eine Wendung, ein Wagenrad, ein Schlag - es muß nun Alles »ge* sehen«, mit optischer Akkuratesse komponiert sein. Der Humbstibumbstimann kann keine Regier* künste mehr spielen lassen, und auch der alte Mime nicht. Die Fixigkeit, die Logik, die Geste, das flotte Spiel, das vielbelobte und beliebte Tempo, heraus* geholt durch die »Kunst des Schneidens« (es ist aber bloß eine Schneiderkunst), oder der »Fein* schnitt« — es hilft nicht mehr: der Film muß bild* lieh werden. Aber nicht dekorativ — das wäre das Letzte, diese Note steht ihm gar nicht an; ich wüßte nichts Mißlicheres für diese Zauberlaterne der Graphik. Alles Momentane, alles hier Festgehaltene, alles bis auf die Knochen Visierte — das ist’s. Eine De* koration also, das gibt es im Theatersinne hier nicht. Es fühlten’s auch jene Blinden von anno Tobak mit ihren Krück* und Zeigestöcken — ich meine die »Groß*Bauer«. Was ist denn ein Raum? — »Auf Säulen ruht sein Dach« — wie sonst? — allein »Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg«. Nämlich der Ästhet, auch er reicht nicht aus — steht sogar an falscher Stelle! Seine Arbeit wird sehr bald zum Requisiten*Dilettantismus werden — erinnern wir uns! Die Frage nach der neuen Materie selbst wird dringender. Film vor allem ist Photographie - wo bleibt der eigentliche Fachmann, wo bleibt der Beleuchter, wo der Operateur? Aber sein Weg ist längst angebahnt. Er hat den »Film*Architekten« buchstäblich in den Schatten gestellt. (Was könnte ihm leichter fallen?) Da man den prägnanten Bildausschnitt endlich als das bildlichere Moment erkannt hat, da eine lichtgetroffene Zweigspitze, ein Ellenbogen, ein Mundwinkel — (im Schattenspiel bewegt) schla* gender, phantastischer, romantischer und über* haupt bildhafter wirken können, wozu der Lärm noch, wozu der Aufwand von unendlichenQuadrat* metern Pappe? Das Eldorado des in Material, und Raummaßen schwelgenden Dekorationsfana* tikers ist verblichen, der kulissenbauende Friseur hat dem sachlichen Optiker Platz machen müssen — Gott lob! Aber seine Sünden hat der andere, zukünftige Fachmann büßen müssen. Der Maler, der Seher — er als Filmfachmann wird erst geboren werden, wird sich das Feld roden müssen. Sein Ziel ist die künstlerische Optik. Was derTechniker bisher alles rein notwendiger* weise beherrschte, teils anstrengte — er muß es jetzt ästhetisch zu erreichen suchen. Die Raumplastik, die Tiefenwirkung, die Gra* phik überhaupt — nicht nur lineare, sondern ganz besonders motorische Erscheinungen (toter oder lebendiger Körper) — es ist alles sein. Sein ist die Wand, die mit verkürzten Gesimsen und Unter* sichten aufwärts flieht, sein sind die hinsausenden Massen der Flächen oder Schatten oder Kom* parsen! — Das ist es ja! Sein ist auch selbst der Fingerzeig, die Fuß* spitze. Denn: Kein Hintergrund ohne Vordergrund!! — Die Linie dem Regisseur, ihm das Bild — besser aber Beides! 14