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EIN HANDELSWAPPEN IM SPIEGEL DER ZEITEN VON Dr. HAN! D R E lies fließt«, diese berühmten Worte des grie« chischen Philosophen Heraklit bewahrheiten sich überall und stets aufs neue. Besonders in ge* schmacklichen Dingen kann man im Laufederjahr« hunderte dieses Fließen deutlich bemerken. Ver« stand und Gefühl arbeiten dauernd miteinander und gegeneinander. Das Werk, das jeweils aus die« sem inneren Kampfe entsteht, ist als die Resultante dieser beiden Kräfte anzusehen. In der reinen Kunst, und vielleicht noch mehr in der angewandten, da hier der Zweckgedanke hinzutritt, kann man deut« liehe Etappen feststellen. Auch dürfte es nie an Propheten fehlen, die eine notwendige Entwicklung glauben Voraussagen zu müssen. Erinnert sei hier z. B. an Bruno Taut, der mit neuen raumarchitek« tonischen Vorschlägen auf den Plan tritt. Die Schaffung von besonderen Symbolen als Familienwappen, als Goldschmiede« und Verleger^ Zeichen im Mittelalter und in der Renaissance, als Kennzeichen der Zünfte usw. war der Vorläufer der uns heute in der Form von Schutzmarken und Signeten, ganz allgemein gesprochen von Handels« wappen bekannten und geläufigen Zeichen. Ob die Marke geschützt und eingetragen ist, also eine »Schutzmarke« im buchstäblichen Sinn darstellt, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, da es hier auf den von der Marke zu erfüllenden Sinn ankommt, und der ist für die Firma, die sie führt und die Ware, die sie trägt: Ein allgemeines Er« kennungszeichen zu sein, das einerseits den Muster« schütz verbürgt, aber außerdem auch die Kraft in sichhat, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und so für die Ware werbend zu wirken. Aus diesem Zweckgedanken heraus, der in dieser Form erst nach und nach durchdrang, sind die Bemühungen verständlich, die Gestaltung und die Ausdrucks« formder Handelswappen immer konzentrierterund straffer zu formen. Ebenso, wie der einfache, kurze Satzbau leichter verständlich ist und derSinn dieses Satzes sich dem Gedächtnis leichter einprägt, ebenso wird, um ganz allgemein zu sprechen, die »Wir« kung«, also Aufmerksamkeit, Gedächtnis usw., ge« steigert, wenn das betreffende Symbol einfach, klar und leicht verständlich gehalten ist. Das Bedürfnis, Schutzmarken zu besitzen, ist heute riesig groß. * PI O R K O WS KI, S D E N Nach der deutschen Patentamtstatistik war das Jahr 1924 mit 27 853 Warenzeichenanmeldungen an der Front. Die rasche Entwicklung wird dann be« sonders deutlich, wenn man erfährt, das diese Zahl der Anmeldungen um 17 054 größer ist als im vor« hergehenden Jahre! In diesen Zahlen sind aber alle die ungezählten Handelswappen nicht enthalten, die nicht patentamtlich angemeldet wurden. Und deren gibt es sehr viele! Aus kulturhistorischen und reklametechnischen Gründen ist es äußerst interessant und lehrreich, die Entwicklung zu verfolgen, die ein derartiges Signet durchgemacht hat. Wir wählen als wert« vollen Beitrag zu diesem Kapitel die Hausmarke des bekannten DresdenerModehauses Adolph Renner. Es lag nahe, den Namen Renner als Grundlage für das Motiv der zu schaffenden Marke zu verwenden. Unsere Abbildung Nr. 1 zeigt die erste Gestalt dieser Marke, entworfen von Volkmann. Der Charakter dieses Bildes ist durchaus illustrativ mit einem An« klang an klassische Vorlagen gehalten. Das Wort Rennerist als Plural angesehen, das Bild zeigt zwei »rennende Pferde« mit Reitern. Weder von einem konzentrierten Ausdruck in Haltung oderGebärde, noch von reklamemäßiger Wirkung kann hier die Rede sein. Die Kunst, auf engem Raum viel und diesesViele trotzdem mit einfachen Mitteln Zusagen, ist eben nicht so leicht. Aus den griechischen Jünglingen wurde mit der Zeit ein Reiter auf schwerem Rosse im Denkmalstil des Barock. Die Anfangsbuchstaben A R (Adolph Renner),umrahmtvonausschweifendenArabesken, dienen als Hindernis, über die der Renner hinweg« zusetzenim Begriffeist. Mandenkt an dasberühmte Denkmal August des Starken in Dresden, wenn man dieses Signetbetrachtet. Es mag auch sein, daß diese Gedankenverknüpfung seinerzeit erwünscht war. Bemerkenswert an dieser Marke ist die merkwür« dige Asymmetrie, diese Störung des Gleichge« wichtes zwischen rechts und links. Es muß doch als seltsam bezeichnet werden, daß für ein Modehaus, worunter man bei uns im Volks« munde ja in erster Linie ein Haus für Damenmoden versteht, wenn die Herrenmode nicht ausdrücklich vermerkt wird, die männlichen Symbole verwendet