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und zugleich das Publikum unterhalten. Das Auflösen eines gedanklichen Komplexes in ent* sprechend wirksame Bilder ist Sache eines phan* tasiebegabten Kulturfilmdramaturgen, also eines Spezialisten, dem es darüber hinaus nicht zu liegen braucht, etwa die Regie eines Spielfilms zu führen, denn auch die besten Leistungen eines Spielfilm* regisseurs bieten noch lange keine Garantie dafür; daß er in der Lage ist, die künstlerisch*technische Arbeit zu leisten, die Voraussetzung für einen schauspielerlosen Film ist. — Die Arbeit des Kul* turfilm*Dramaturgen ähnelt überhaupt mehr der des sich in alle Wissensgebiete leicht einfühlenden Journalisten, dessen Stärke ja bekanntlich in einem ausgesprochenen Gefühl für Tatsachen, Ereignisse und deren Wertung liegt. Zwischen Journalismus und Film, insonderheit Kulturfilm, existieren über* haupt noch eine Menge von Beziehungen, über die man sich erst mit der Zeit, wahrscheinlich nur auf dem Wege der Erfahrung, klar werden dürfte. Eins sei hier hervorgeholt. Ich kann mich er* innern, daß so um die Zeit von 1905, 1906 und 1907 Bäder, Kurorte und auch schon einzelne In* dustrieen dazu übergingen, sich einen gewandten Lokal *Feuilletonisten zuzulegen, der für sie eine redaktionelle Propaganda inszenieren sollte. Es waren sich beide Teile von vornherein darüber klar, daß es nicht mit brutalem Losgehen auf das propagandistische Ziel zu machen ist, sondern daß man das propagandistische Ziel in Verbindung bringen müsse mit irgendwelchen landschaftlichen, verkehrspolitischen, technischen, künstlerischen, hygienischen oder sonstwie kulturellen Gesichts* punkten, die es vor dem Auge des Publikums und auch — hier sei etwas aus der Schule gesprochen — vordem Verleger rechtfertigen,sich in kürzeren oder längeren Entrefilets zu ergehen. Da gab es sehr er* finderische Köpfe, die sehr schnell den sogenannten »Handwerkern« den Rang abliefen, und ich könnte manchen jungen, geschickten Journalisten, der heute noch seine Feder wetzt, nennen, der sich damit über die wirtschaftliche Oede des journa* listischen Daseins hinauszuhelfen wußte. Man hat damals manchmal die Nase gerümpft; ich sage aber heute: mit Unrecht, denn es war eine redaktionelle Propaganda vornehmen Stils, an der sich niemand stoßen konnte. — Übertreibungen gab es anfangs genug, sie fielen aber bald aus, denn die Verleger wandten sich mit Recht gegen die plumpen Schän* der einer anständigen redaktionellen Gesinnung. Das, was hier für den Journalismus gesagt ist, trifft analog für den Film zu. Ich sehe heute noch — es sind noch keine 3 bis 4 Jahre her — einen Film* streifen vor mir, in dem man für die Kugellager* fabrikation einer großen süddeutschen Firma Pro* paganda machte; man hat sogar Schauspieler in Bewegung gesetzt, sowohl für einen kleinen histo* rischen Auftakt als auch für Szenen aus dem mo* dernen Herstellungs* und Verkaufsleben. Der Film — er hatte, glaube ich, etwa die Länge von 800 bis 1000 Meter — war eine Katastrophe, und es hat sicherlich kein Theater gegeben, das diesen Film aufführte, ebensowenig Schulen, technische Vereine oder Verbände, die jenen Streifen über sich ergehen ließen. Es war der Typus einer brutalen Filmreklame, ohne jeden höheren allgemeinen Ge* sichtspunkt, dazu noch unter Beweihräucherung der Persönlichkeiten, die jenem Unternehmen vor* standen. Man ist von diesen Methoden und von diesen Filmen erfreulicherweise abgekommen, und man kann bereits heute ohne großen Widerspruch die allgemeine Forderung erheben: Eine einzelne Firma durch gegenständlich «naturalistische Aufnahmen zu propagieren, ohne daß sie sich im Zusammen* hang mit weltwirtschaftlichen, Volkswirtschaft* liehen oder nationalen Gesichtspunkten bringen läßt, sollte man im Allgemeinen unterlassen, na* mentlich wenn man daran denkt, den Film ins Theater oder sonstwie vor ein größeres — und sei auch nur geladenes — Publikum zu bringen. Tut man es trotzdem, dann kann es sich nur um einen Film handeln, der vor den Arbeitern und Ange* stellten der Fabrik, vielleicht auch vor Freunden oder Bekannten bei festlichen oder gesellschaft* liehen Anlässen, gezeigt wird. Anders steht es na* türlich bei Filmen, bei denen es sich um ganz be* stimmte technische Vorgänge handelt, die in kurzen Filmstreifen niedergelegt werden, um sie etwa den Reisenden sozusagen als Offertfilm mit auf die Tour zu geben. Da sind aber schon 100 bis 150 Meter zweifellos das höchste der Gefühle. — Eine Ausnahme bilden weiter die sogenannten lustigen Zeichen*Trick*Filme, die von 60 bis 100 Meter in den Kinos im Anschluß an die Reklame* Lichtbilder gezeigt werden und meistens auf eine humoristische, also nicht sachliche Art, als »Pausen* füller« dem eigentlich ganz anders eingestellten »Abendgehirn« des Beschauers die »Marke« einer einzelnen Firma zu Gemüte führen sollen. Überall also, wo die Voraussetzungen für einen kürzeren Offert* oder Trickfilm zur Klarlegung technischer Vorgänge oder Einhämmerung einer Marke fehlen, soll man sich zu einem größeren Film, der etwa 8 bis 10 000 Mk. kosten kann, nur dann entschließen, wenn man mit gutem Gewissen