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DER FILM IM DIENSTE DER PROPAGANDA EIN KULTURELLES, WIRTSCHAFTLICHES UND NATIONALES KAPITEL VON HEINRICH PFEIF F, ER, HAMBURG Eine Propaganda hervorzurufen, die wirkt und künstlerisch einwandfrei ist, darf heute ruhig als eine Kunst angesehen werden, und zwar aus den verschiedensten Gründen: Einmal ist das Publikum heute geschmacklich ganz anders entwickelt als die Menschen, die sich vor zwei oder drei Jahrzehnten von der Reklame beeinflussen ließen. Man hat schon zu viel gesehen an guter und schlechter Reklame und hat auch durch die verschiedenen künstlerischen Richtung gen, die ihre Anwendung in der Reklame gefunden haben, allmählich - wenn auch unbewußt - eine Art Kunstanschauung gewonnen und zwar eine Kunstanschauung, nicht nur in der Richtung der darstellenden oder bildenden Kunst, sondern auch eine KunstanschauunginliterarischerBeziehung. — Es ist in der Tat nicht übertrieben, wenn man den einen oder anderen Reklametext, so simpel die we* nigen Worte vielleicht erscheinen mögen, als ein literarisches Kabinettstück ansieht. Zu dieser wort» künstlerischen und worttechnischen Entwicklung hat niemand mehr beigetragen als größere Tages* Zeitungen, die es nicht unterließen, sogar im lokalen Teil auf eine geflegte Sprache, Prägnanz des Aus* drucks und eine gewisse Rhythmik zu sehen. Darin liegt ein wesentlicher Grund, warum der Begriff »Propaganda« sich mit einem Instrument verglei* chen läßt, auf dem es nicht so einfach zu spielen ist. Ein weiterer Grund ist die Vielgestaltigkeit des Reklame* oder Propaganda*Ausdruckes. Hier wir* ken zusammen: Der Reklamekonsument, der immer nach neuen Reklamemitteln sucht, nach neuen tech* nischen Möglichkeiten, nach neuem künstlerischen Ausdruckund der sogenannte Reklameproduzent— wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf — der ständig auf der Jagd nach neuen Objekten ist, die dem Konsumenten angeboten werden. Lange Jahre war doch das Plakat an der Litfaß*Säule, das In* serat, das Schaufenster, die Ausstellung, die einzige Reklamemöglichkeit, um dann allmählich Konkur* renten zu erhalten in der Verkehrsreklame, (Eisen* bahn und Post), Lichtreklame, Flugzeugpropagan* da, Funkreklame und nicht zuletzt in der Film* reklame. Geht man mit analytischen Gedanken in der Re* klame umher, dann begegnet die Filmreklame un* serem besonderen Interesse. Inihrfindenwirgleich* sam die Elemente der ursprünglichen Reklamearten vereinigt. Es wirken zusammen: Journalistische,künstlerische,photographische und organisations*technische Momente, Dinge, deren sich, man kann das offen sagen, lange Zeit sowohl derReklameverbraucher, wie der Film* hersteiler, nicht genügend bewußt waren. Es hät* ten ihnen manche Enttäuschungen erspart bleiben können. Wie hat sich nun der Propagandafilm in der Praxis entwickelt? Zuerst waren es größere Gesellschaften, die den sogenannten Propagandafilm oder Verkehrsfilm, wie sie ihn nannten, für Bäder, Kurorte usw. her* stellten. Sie taten recht und schlecht ihre Pflicht, förderten aber ein Erzeugnis zutage, das bei weitem nicht den Ansprüchen genügte, die an einen pu* blikum*wirksamen Filmstreifen zu stellen sind. Der Hauptfehler bestand darin: es wurde nicht ein wohlangelegtes und literarisch einwandfreies Ma* nuskript zugrunde gelegt, sondern man filmte mehr oder weniger einfach darauf los, und letzten Endes war es dem glücklichen Zufall zu verdanken, wenn die aneinandergereihten Bilder einigermaßen einen für das geistige und optische Auge erkennbaren Zusammenhang hatten. — Als die größeren Gesell* schäften aber schon anfingen, auf den Weg des Besseren zu gelangen, kamen kleinere Film*Ritter, die gleichsam von Stadt zu Stadt zogen, um im Stile des Schnellphotographen Gemeinden, Industrien usw. zu überfallen; ja, man genierte sich nicht, von Haus zu Haus zu gehen und den Besitzern Beträge von 30 bis 50 Mark abzunehmen unter der Ver* Sicherung, daß sie auch auf den Film kämen. Noch vor einem Jahr — ich kam damals zufällig auf die Spuren einer solchen Kino «Kavalkade — hat man die Pfalz und deren Nachbarschaft abge* straft. In Kreuznach machen heute noch viele In* dustrielle und Kaufleute, darunter recht ernste Menschen, drei Kreuze, wenn sie an diese Film* gesellschaft oder überhaupt an den Film denken,