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zu sein, so könnte der Schakal doch niemals Löwenerfolge erzielen. Nicht nur, daß ihm Lö wenkraft und Mut fehlt — es glaubte ihm nie mand diese Eigenschaften, selbst wenn er sie besäße. Das liegt eben, wie man sehr richtig zu sagen pflegt: in der Natur der Sache. Quod licet Jovi, non licet bovi, sagt ein lateinisches Sprichwort, und es bedeutet „Was ein Jupiter kann und darf, ist dem Ochsen verwehrt“. Das ist gewiß sehr deutlich und gilt auch für die Re klame-Kälber. Freilich ist die Nachahmung keine reine Ver standessache. Der Nachahmer unterliegt eben der Suggestion seiner Vorbilder, oft sogar un bewußt. Ebenso handelt es sich bei Nachgeahm tem nicht immer um ein für erstrebenswert ge haltenes Ideal, sondern um eine Gewöhnung, um ein so vielfältiges Erlebnis, daß es sich schon in unser Unterbewußtsein eingefressen hat. Man bildet sich schließlich ein, es gehöre einfach dazu. Worin besteht denn die Erziehung? In systematischer Entwicklung des Nachahmungs triebes. Wir alle ahmen so lange nach, bis wir selber nachgeahmt werden. Nachahmung ist ein Entwicklungsstadium. Nachahmung ist das ir rende Suchen des Menschen nach seinem wah ren Selbst. Aber damit ist auch schon gesagt, daß alle Nachahmung nie etwas Endgültiges, nie Ziel sein kann. Die Nachalimnug kann uns dem Ziel näherbringen, entweder dadurch, daß wir nachahmend unsere eigenen Grenzen erkennen, indem wir nämlich begreifen, daß wir kein Vorbild je erreichen können — oder dadurch, daß das Nachgeahmte unserer eigenen Art nahe lag und wir so, durch die Art einer verwandten, unsere eigene Art erkennen lern ten. Nein, diese Art der Nachahmung kann man nicht als Aberglaube bezeichnen. Dagegen ist das gedankenlose Übernehmen einer Mode, eine Gewohnheit, die man in der Damenwelt nach allen Richtungen hin studieren kann, ein wohl unausrottbarer Aberglaube. Ob die Neuigkeit paßt oder nicht, sie wird unbesehen, ungeprüft und bedenkenlos übernommen. Damit soll nun keineswegs gesagt sein, daß das sogenannte „stärkere“ Geschlecht keinen Modetorheiten unterliege. Doch bleiben wir bei der Stange, d.h. bei der Werbung. Eine solche, scheinbar unausrottbare Mode ist der Trauerrand bei ge schäftlichen Anzeigen, eine Mode, die weder geistreich noch schön ist, von der man merk würdigerweise erhofft, daß sie besondere Auf fälligkeit bewirke. Diese Ränder, bald breiter, bald schmäler, machen die Zeitungsseite nur un ruhig; man sieht vor lauter Rändern den Text nicht und liest gewiß gerade da zuerst, wo keine sc-hwarzenTrauerränder stören. DieseAnzeigen- Trauerränder sind vorwiegend deutscher Aber glaube, in ausländischen Zeitungen trifft man diese rätselhafte Unsitte nicht in dem Maße wie bei uns. Ein weiterer Aberglaube ist die örtliche Wie derholung. Man hat gehört, daß die Wiederho lung ein Grundsatz der Reklame sei. Damit ist freilich die zeitliche Wiederholung gemeint. In dessen ist nicht zu bestreiten, daß auch die ört liche Wiederholung unter ganz besonderen Um ständen von suggestiver Wirkung sein kann. Wenn etwa die Fensterscheiben eines Geschäfts hauses vom ersten Stockwerk bis unter das Dach bemalt sind mit: Leo Krause, Kleider — Leo Krause, Stoffe — Leo Krause, Möbel — Leo Krause, Hemden — Leo Krause, Strümpfe — so übt das sicherlich eine gewisse suggestive Wirkung aus. Man kann aus diesem Beispiel folgern: auch die örtliche Wiederholung ist ein gutes Reklamemittel, wenn zugleich mit der Wiederholung etwas Neues verkündet wird. Würde aber auf den 20 oder 30 Fensterscheiben nur immer „Leo Krause, Kleider“ stehen, so wäre das überaus langweilig, und die Wirkung verpuffte. Dieser Fehler wird leider häufig gemacht. Man prüfe daraufhin unsere Wirts hausschilder. Den Namen des ausgeschenkten Biers erfahren wir mehrmals, einmal steht er über der Tür, dann noch einmal über dem Fen ster und dann auf beiden Seiten. Die Angabe des Fernsprechers muß man schon mit der Lupe suchen. Hier wäre wirklich etwas mehr ameri kanische Mitteilsamkeitsfreude am Platze. (Daß die so pretentiös auftretende Brauerei sehr oft der Besitzer der Kneipe ist, ist gar keine Entschuldigung.) Betrachten wir den Aberglauben in der Wer bung einmal von der positiven Seite. Kann man etwa den Aberglauben für die Werbung dienst bar machen? Ist das nicht unfair? Warum soll man nicht auch von den Wahrsagerinnen ler nen, wenn von ihnen etwas zu lernen ist? Und wenn es wahr ist, daß 88 Prozent aller Einkäufe von Frauen besorgt werden, so ist jedem Wer befachmann dringend zu raten, sich des Aber glaubens zur Werbung zu bedienen. Man be nütze Glückszahlen wie 3, 5 und 7, und ver meide die 13. Frauen sind alle abergläubisch. (Männer auch, aber sie verbergen es besser.) 31