Volltext Seite (XML)
auch in der Schriftgestaltung den Leistungen des Kupferstechers anzupassen. Dazukamnoeh, daß der Banknotendruck, der ja vom Kupfer stichdruck ausgegangen war und zu den kom pliziertesten und zierlichsten Druckgebilden ge führt hatte, mit reich verzierten Buchstabenbil dern arbeitete. Stempelschneider und Schrift gießer paßten sich solchen Vorbildern an, und so entsteht nun die Gruppe der musierten d. li. mosaikartig verzierten Schriften, der schattier ten und umstochenen Antiqua-, Fraktur- und gotischen Schriftbilder. Die Bereicherung, die die Vorräte der Schriftgießereien auf dieseWeise erhalten, lassen sich am besten bei vergleichen der Betrachtung einiger Schriftproben, etwa der jenigen von Karl Tauelmitz, aus dem Jahre 1825, der von Scheiter&Giesecke aus dem Jahre 1836 und von Scheiter &Giesecke aus dem Jahre 1849 feststellen. Die beiden erstgenannten be schränken sich in der Hauptsache auf die Vor führung der üblichen Fraktur, Schwabacher, französischen, englischen, gotischen und Antiqua schriften. Lichte, umstochene und musierte Schriften finden sich bei Karl Tauchnitz 1825 noch gar nicht. In der Scheiter & Gieseckeschen Schriftprobe von 1836 findet man nur je ein Beispiel einer schattierten, einer lichten und vier musierter Schriften. Auffällig ist, daß die fetten Schriften, darunter auch Egyptienne- schriften in der Probe von 1836 gegenüber 1825 sich stark vermehrt haben. In der Probe von 1849 finden sich acht ganze Seiten unter der Be zeichnung Titelschriften und Zier Schriften. Schriftbilder und Verzierungen sind hier auf das reichste abgewandelt. Der Einfluß des Bank- notendruckes zeigt sich in den Formen der Zier- schriften ganz auffällig, ebenso ist das Gebiet der Schreibschriften sehr reich ausgebildet: außer drei Beispielen deutscher Schreibschriften finden sich noch fünf Beispiele französischer und vier einer Rotund, während die Probe von 1836 nur ein Beispiel deutscher Schreibschriften zeigt. Das, was hier in der Probe von 1849 ange bahnt ist, wird dann in den nächsten 30 Jahren weiter ausgebaut. Die Zeit der Romantik griff zurück auf die Buchkunst des 15. und 16. Jahrhunderts, sie spürte deutlich die Überlegenheit der Vorfahren in Fragen der Schrift- wie der Buchillustrations kunst. Es bildet sich nun eine Generation von Buch künstlern heran, an deren Spitze Männer wie Rethel, Richter, Schwind und viele andere ste hen. Den Romantikern war Diirer das leuch tende Vorbild, Dürer, dessen Randzeichnungen zum Gebetbuch für Kaiser Maximilian Goethe 1815, als Strixners Nachbildungen herauskamen, mit so begeisterten Worten gepriesen hatte. Und in Anlehnung an diese Art der Einfassungen in diesem Stile schufen die Romantiker. Goethe hatte 1804 zu Heinrich Voß bei Betrachtung sei ner Medaillensammlung sagen können: „Was sind wir doch gegen die Künstler des 15. Jahr hunderts? Wahre Taugenichtse! Was ist unser Jahrhundert gegen dieses kraftvolle.“ Waren nun die Romantiker, die sich als Nach folger der alten deutschen Meister bekannten, solche kraftvollen Künstler? Mit wenigen Aus nahmen sind sie doch vergleichsweise ihnen ge genüber zart zu nennen, daher denn auch die Buchkunst jener Tage etwas Gebrechliches, Ge ziertes und Zugespitztes erhält, die Schriften, die jetzt entstehen, werden immer verzierter und ängstlicher, der Satz immer kleiner und kleinlicher: die einfache kräftige Sachlichkeit der klassizistischen Buchkunst wirkt daneben erfreulich. In der Schriftkidtur zeigt sich nichts von dem Vorbild der alten deutschen Meister. Sie sollte erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wi eder erweckt werden. DerBuehschmuck wurde unmäßig kultiviert, und der Buchschmuck der Renaissance erlebte in den achtziger Jahren vor allem durch Georg Hirtlis Bemühungen eine neue Renaissance. Erst jetzt wendet man sich einer ernsthaften Reform des Schnittes der Fraktur zu. Die Schriftformen verlieren bald nun alles Ängstliche und Kleinliche, und das allzusehr Verzierte, und wir stehen heute noch mitten in dieser Bewegung, die nach dem Kraft vollen, ja mitunter sogar nach dem Derben drängt. Ähnlich ist auch die Reform des Schnit tes der Antiquabuchstaben verlaufen. Bei dem Drang nach Einfachheit ist man wieder auf die alten Schriften der klassizistischen Buchkunst zurückgegangen, Es ist jedoch nicht anzuneh men, daß die Bewegung, wie wir sie bereits ge kennzeichnet haben, zu einer Vereinfachung der Schriftformen in dem Sinne einer Systemschrift, wie Paul Renner und Kurt Schwitters sie an streben, Erfolg versprechen wird. Selbst ein vor übergehendes Anschwellen des Verlangens nach ganz einfachen Schriftformen, wie sie die Stein schriften zeigen, dürfte bald von einer Reaktion abgelöst werden, weil doch zu viel Kultur im deutschen Volke steckt und zuviel ästhetischer 24