Familienalben || Familiengeschichte(n)

Familienalben gehören seit Generationen zur allgemeinen Erfahrung der meisten Menschen. Wenn man sie nicht selbst angelegt hat, dann erbt man sie von den Vorfahren oder bekommt sie von Angehörigen geschenkt.

Was unter historischem Blickwinkel die Fotoalben allgemein und die Familienalben im Besonderen anbelangt, so haben wir es grundsätzlich mit zwei verschiedenen Entwicklungsformen zu tun. Die frühen Alben enthalten Fotografien, die in den Fotoateliers der ortsansässigen Fotografen professionell angefertigt wurden und somit den Charakter von Porträtgalerien im Kleinformat annehmen. Neben zahllosen Einzelporträts, bevorzugt im Visitformat, umfassen sie auch Doppel- und Gruppenporträts, diese dann vorzugsweise im Kabinettformat. Bei Fotoserien, die den Charakter einer allgemeinen Chronologie der Familiengeschichte bereits überschritten, griff man zu separaten Alben, die dem jeweils gewählten speziellen Thema gewidmet waren. Dadurch bildeten sich immer neue Formen einer Alben-Typologie heraus. Es waren vermutlich auch weniger die spezialisierten Fotoarchive, die mit dem Sammeln jener Art von Familienalben begannen, sondern vielmehr Heimatmuseen, Heimatforscher und -vereine sowie Stadtarchive, die in den Familiengeschichten interessante Dokumentationen zur Sozial- und Kulturgeschichte der jeweiligen Region erkannten. Prachtalben hingegen wurden sicherlich eher von Bibliotheken erworben, wobei vor allem der mehr oder weniger aufwendige Einband bei dem Kaufinteresse eine Rolle gespielt haben dürfte. 

Die Deutsche Fotothek begann erst in den 1980er Jahren mit dem systematischen Sammeln von Foto-Positiven. Kaufangebote wie die Alben aus der Familie des Mühlenbesitzers Gottlieb Traugott Bienert (1813–1894), die sogenannten »Bienert-Alben«, bildeten dabei zunächst spektakuläre Sonderfälle, die im Übrigen bereits damals ihren Preis hatten (Abb. 1, Katalogeintrag). Alben wurden zunächst eher sporadisch erworben oder kamen als Teil von kompletten Fotografennachlässen ins Haus. Erst in den letzten Jahren hat sich daraus eine zielgerichtete Sammeltätigkeit entwickelt.

Das fotografische Familienbildnis schloss sich in seinen Anfängen fast ausschließlich an den Typus des Repräsentationsporträts an. Reinhard Sieder prägte in diesem Zusammenhang den Begriff einer »Aristokratisierung des Bürgertums« (Sieder, Frankfurt am Main 1987, S. 140). Eine Ursache wird sein, dass man die Familie im Foto über die Zeiten hinweg würdig und sozusagen für die Ewigkeit abgelichtet wissen wollte. 

Mit dem Aufkommen der Amateurfotografie drang das Medium dann in alle Bereiche des Lebens vor. Neben den herkömmlichen Porträts, die vom sachlichen Erfassen bis zur komödiantischen Inszenierung sämtliche Spielarten umfassten, findet sich seit den 1920er und 1930er Jahren in den Alben alles das, was die Familie in Haus und Hof, Garten und Landschaft bewegte. Das Umfeld der Wohnung, Kinder, Haustiere, Freizeitbeschäftigungen, sportliche Veranstaltungen und besondere Ereignisse – alles wird nun fotografiert und in Alben geklebt (Abb. 2, Katalogeintrag, und Abb. 3, Katalogeintrag). Mitunter sind die Fotos durch kleine Erinnerungsstücke wie gepresste Pflanzen, Kinderzeichnungen, Postkarten oder Ähnliches ergänzt – der Fantasie und den Möglichkeiten bei der Gestaltung der eigenen Alben sind schließlich kaum noch Grenzen gesetzt.   

Anne Spitzer