UHU. Das neue Ullsteinmagazin

10 Jahrgänge, 1924 bis 1934 
erschienen im Ullstein Verlag Berlin 
120 Ausgaben, 
vollständig digitalisiert 
Zu den Digitalisaten 

Der »UHU« galt als Prototyp des Massenmagazins der Weimarer Republik, und bestach durch Originalität, Witz und drucktechnische Innovationen. Als Chefredakteur des »UHU« fungierte zunächst ein Kollektiv unter dem bezeichnenden Pseudonym »Peter Pfeffer«, später Friedrich Kroner.Keine andere Redaktion beschäftigte so glänzende Autoren und Fotografen, keine hatte so viele neuartige Einfälle, die hoch professionell und nötigenfalls mit außergewöhnlichem Aufwand umgesetzt wurden. Für den »Uhu« schrieben Walter Benjamin, Bert Brecht, Vicki Baum, Colette, verschiedene bekannte Musikkritiker und gelegentlich auch berühmte Gastautoren wie der dänische Filmstar Asta Nielsen oder Albert Einstein. Und der »UHU« druckte Fotografen wie László Moholy-Nagy, Martin Munkácsy, Albert Renger-Patzsch, Sasha Stone, Umbo (d.i. Otto Umbehr); Erich Salomon und Yva.Darüber hinaus nahmen Zeichnungen und Karikaturen einen unverändert hohen Stellenwert im Heft ein. Neben dem englischen »UHU«-Karikaturisten der ersten Stunde, H. M. Bateman, sind hier Ottomar Starke, Ferdinand Barlog, Georg Kolbe und Martin Koser zu erwähnen. Besonders prägend durch seinen unverwechselbaren Zeichenstil wirkte zudem Walter Trier, der auch für die politisch-satirische Wochenschrift »Simplicissimus« tätig war und eine Reihe charakteristischer Titelzeichnungen für den »UHU« schuf.

Covergestaltungen des Magazin ›UHU‹

Heft im Focus

Uhu. Das neue Ullsteinmagazin, 9. Jahrgang (1933), Heft 4, Januar

Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Tier.Wir kennen es bloß im Zustand der Bändigung und Zähmung. 
- Arthur Schopenhauer –

In den illustrierten Magazinen der Weimarer Republik finden sich zahlreiche fotografische Vergleiche vom Menschlichen im Tier und dem Tierischen im Menschen. Die humoristische Erzeugung einer biologisch-instinktiven Ähnlichkeit in Mimik und Gestik diente vorrangig als auflockernder »Seitenfüller« zum Schmunzeln zwischen den einzelnen Beiträgen ohne konkrete kontextuelle Anbindung. Im hier vorgestellten Heft erfolgte jedoch eine thematische Zusammenstellung dieser scherzhaften Aufnahmen in Form der Fotoreportage »Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier. Merkwürdige Parallelen aus meiner Bildersammlung« von dem passionierten Tierfotografen Friedrich Seidenstücker, »einem der eigenartigsten Fanatiker der fotografischen Platte« [1] – so der »UHU« über seinen langjährigen Mitarbeiter. Seidenstücker war 1904 nach Berlin gezogen, wo er sein Maschinenbaustudium vernachlässigte, um vor den Gehegen und Käfigen des Berliner Zoos Tiere zu zeichnen. Noch war die Fotografie nur Zeitvertreib, Seidenstückers eigentliche Leidenschaft gehörte der Bildhauerei. Trotz eines Studiums an der Hochschule für Bildende Künste blieb sie für Seidenstücker nur ein Traum – und Seidenstücker Fotograf.

Der Ullstein-Verlag engagierte ihn als freien Mitarbeiter, seine Bilder erschienen auch in der »Berliner Illustrirten Zeitung« oder in illustrierten Magazinen wie dem »UHU«, der »Woche«, dem »Querschnitt«, der »Vossischen Zeitung« oder der »Dame«.Vor allem die Zooaufnahmen waren beliebt. Etwa die Hälfte seines 15.000 Aufnahmen umfassenden Lebenswerkes sind Tierfotografien. Seidenstücker hatte sie unter zoologischen Kriterien katalogisiert und mit Anmerkungen zum Paarungsverhalten versehen – festgehalten in einem »Hochzeitskalender der Tiere«. Aus dieser Sammlung erstellte Seidenstücker die in dieser »UHU«-Ausgabe präsentierten Vergleiche:

- Das lümmelnde Eisbärpärchen im Zoogehege und das Menschenpaar in freier Natur.
- In sich versunken ruhend und eingehüllt – das Huhn im Federkleid und die alte Frau in warmer Kleidung.
- Badespaß in jeder Konfektionsgröße – die anmutige Schwimmerin und der Eisbär beim Rückenschwimmen.
- Wohliges Räkeln des Lamas beim Sonnenbad und der Turnerin in der Gymnastikpause.
- Ausgelassenes Herumtoben zweier Zebras und zwei junger Mädchen.

Auch wenn Seidenstücker betonte, die Bilder nicht der Parallelen wegen erstellt zu haben, so weiß man heute, dass nur die Kombination seiner langjährigen Tierstudien mit versiert eingesetzter Fototechnik die fotografische Illusion menschenähnlicher Physiognomie beim Tier erzeugen konnte.Doch auf die tatsächliche biologische Ähnlichkeit kam es dem Fotograf gar nicht an – im Gegenteil, viele seiner Fotos ähneln sich tatsächlich nicht allzu sehr – entscheidend sei etwas ganz anderes: Die transportierten Stimmungen. Der mentale Eindruck, dass die Abgebildeten ganz gleich ob Mensch oder Tier dasselbe erlebt und gefühlt haben müssen.

Karolin Schmahl

[1] N. N., Der Photograph Friedrich Seidenstücker. Ein Plastiker der fotografischen Platte. In: Uhu Jg. 8, 1931/32, Januar 1932, Heft 4, S. 32.