Das Buch und sein Umschlag

von Patrick Rössler

Man könnte sie durchaus als nahe Verwandte bezeichnen: Das Buch und die Zeitschrift sind beide weniger an das aktuelle Tagesgeschehen gebunden als etwa die Zeitung und sie bieten beide Raum für die freiere literarische Form. So liegt es nahe, das auch die Gebrauchsgraphik aufmerksam beobachtete, wie sich Buchgestaltung und Buchwerbung entwickelten – zumal die Typografie als eine der Wurzeln des modernen Grafikdesigns aus dem Medium Buch heraus entwickelt wurde.

Vor kurzem erst räsonierte Hans Altenhein über das Buch als »die ideale Ware«: Einerseits Kulturträger und gleichzeitig ein »Sakralgegenstand« der bürgerlichen Intelligenz, mußte man diesem moralisch einwandfreien, idealisierten Medium einfach zugetan sein (Aus dem Antiquariat 1/2014, S. 91). Nur konsequent war schon im ersten Jahrgang der Gebrauchsgraphik das elfte Heft dem »guten Buch« gewidmet: Wenngleich man beklagte, daß führende Buchgestalter wie E. R. Weiss oder Paul Renner (noch) nicht vertreten waren, so zeigte das Themenheft doch einen breiten Ausschnitt aus dem Schaffen zeitgenössischer Grafiker. Die zweisprachigen, auf eine internationale Klientel ausgerichteten Artikel zum Buch hoben die Zeitschrift von Konkurrenzblättern wie dem Organ der Deutschen Buchgewerbevereins, Archiv für Buchgewerbe und Gebrauchsgrafik (ABG; seit 1864), ab.

Besonders deutlich wird dies am Thema Schutzumschlag: Ursprünglich als Wegwerfprodukt zur Schonung des Bucheinbands gedacht und für die Bibliophilie uninteressant, erkannte die Gebrauchsgraphik schnell das werbliche Potential dieser Hüllen. Schon im Juni-Heft 1926 widmete sie einen ausführlichen Beitrag dem »Schutzumschlag des Buches«, dem zwei Jahre später anläßlich der Pressa-Ausstellung in Köln ein ausführlicher Artikel von Rudolf Gabrie folgen sollte [Abb. 1]. Der stellte 33 aktuelle Ausführungen vor – darunter solche von Albert Renger-Patzsch, John Heartfield, Rudolf Schlichter oder Emil Preetorius. Unter den »neuen propagandistischen Eigenschaften« betont der Verfasser »die Anwendung des farbig oder schwarzweiß reproduzierten Bildes für den Schutzumschlag«. In der Folge tauchen Schutzumschläge immer wieder in Portfolios zu einzelnen Gebrauchsgrafikern auf; mal peripher wie im Bericht über den Frankfurter Grafiker Albert Fuss (GG 11/1932), mal zentral wie bei den spektakulären Montagen von John Heartfield, die schon an anderer Stelle besprochen wurden (siehe novum 9/2014).

Gleiches gilt für die konstruktivistische Typografie von El Lissitzky, die dieser bei seinerzeit viel beachteten Publikationen wie dem Wchutemas-Architektur-Almanach einsetzte [Abb. 2]. Auch andere prominente Umschlaggestalter wie Emil Preetorius (GG 12/1927), Thomas Theodor Heine (GG 3/1928) oder der gefeierte Georg Salter, der sich laut Begleittext »aller Mittel der modernen Graphik mit besonderem Geschick bedient« (GG 8/1932), erhalten ihr eigenes Portfolio. In den dreißiger Jahren wurden die Umschläge als »Buchplakate« explizit unter werblichen Gesichtspunkten diskutiert –ein »leuchtendes Gewand, um den Käufer anzulocken« (GG 8/1934).

Jenseits des Umschlagthemas finden sich immer wieder ausführliche Beiträge und zuweilen sogar ganze Themenhefte über Gestalter, die man aufgrund ihres Werkes primär als Buchkünstler bezeichnen würde. Das Paradebeispiel hierfür stellt sicher die Sondernummer zum 60. Geburtstag von Aubrey Beardsley (GG 10/1932) dar [Abb. 3], die zahllose schwarz-weiße Tuschezeichnungen »des genialsten und einflußreichsten Zeichners unserer Zeit« versammelt. Der Beitrag über Hugo Steiner-Prag, den Präsidenten der Leipziger Buchkunst-Ausstellung 1927 (GG 2/1927), war hingegen nur der Appetizer für eine weitere Monografie, die der Verlag der Gebrauchsgraphik in zwei Ausgaben vertrieb: Eine Normalausgabe A für 20 Reichsmark und eine Vorzugsausgabe B (mit zwei Original-Lithos) in einer numerierten Auflage von 100 Exemplaren für stattliche 60 Reichsmark.

Schließlich boten Veranstaltungen rund ums Buch (wie etwa die Leipziger Buchkunstausstellung 1927) immer wieder eine willkommene Gelegenheit für Bildberichte. Auch unter dem Nazifaschismus blieb das Buch ein Thema für die Zeitschrift – noch in einem ihrer letzten Hefte ehrte sie trotzig die Buchkunst von Paul Renner [Abb. 4], der kaum ein Dutzend Jahre zuvor seine Schrift Futura, geradezu ein Markenzeichen der typografischen Avantgarde, vorgestellt hatte (novum 10/2014). Und trotzdem schien es nun Lichtjahre her, daß die Gebrauchsgraphik über radikalere Buchkunst wie die des italienischen Futuristen Fortunato Depero (GG 4/1930) oder des Kommunisten Paul Urban (GG 2/1930) [Abb. 5] berichtet hatte.