Die Loggia der Psyche in der Villa des Agostino Chigi

Außer Julius II. und Leo X. war Raffaels wichtigster Auftraggeber der päpstliche Bankier Agostino Chigi (1466–1520). Für ihn gestaltete er 1516 die Familienkapelle der Chigi in S. Maria del Popolo sowie eine zweite Kapelle in S. Maria della Pace >L.XIII.11. Als Stammvater einer aus Siena stammenden Familie, die dem Kirchenstaat mehr als ein Jahrhundert später in Alexander VII. einen seiner glanzvollsten Repräsentanten schenken sollte, war Chigi nicht nur einer der erfolgreichsten Bankiers seiner Zeit, dessen Geschäftsverbindungen Rom und Venedig und sogar den osmanischen Hof einschlossen, sondern er war ein engagierter Mäzen. Raffael übernahm die Ausmalung der Loggia der Psyche in seiner heute als Villa Farnesina bekannten Villa am Tiber >L.X.7, die Baldassare Peruzzivon 1505 bis 1510 errichtet und ausgemalt hatte. Um 1514 hatte er in der Ostloggia bereits den Triumph der Galatea gemalt. Der Gehalt dieses künstlerisch und ikonographisch folgenreichen Wandbildes, das sich inhaltlich auf einen etwa gleichzeitig entstandenen Polyphem von Sebastiano del Piombo in der gleichen Loggia bezieht, ist außerordentlich komplex.

Einige Jahre später malte Raffael die zweite, nach Norden ausgerichtete Loggia aus, deren Thema die Geschichte der Psyche ist, ein Thema, das hier zum ersten Mal als monumentaler Zyklus dargestellt wurde. Die literarische Grundlage dafür war die Schilderung des Schicksals der Psyche in dem Roman „Der goldene Esel“ des antiken Dichters Apulejus. Die Auswahl der Szenen lässt eine sehr persönliche Gewichtung erkennen, die überzeugend auf die Eheschließung Agostino Chigis im Jahr 1519 und ihre Vorgeschichte zurückgeführt worden ist. Als terminus ante quem gilt ein Brief von Leonardo Sellaio an Michelangelo, der auch Raffaels Fresken in der Stanza dell’Incendio betrifft. Raffael zeichnete für die Konzeption des Ganzen verantwortlich sowie für die Anlage der Figuren, zu denen sich auch Zeichnungen von seiner Hand erhalten haben. Die Ausführung besorgten seine Schüler Penni und Giulio Romano auf der Grundlage seiner Kartons. Nach Vasari hat Raffael jedoch auch in der Malerei selbst Hand angelegt. Die 1997 durchgeführte Restaurierung hat dem Ensemble seine lebhafte Farbigkeit und seine plastische Wirkung zurückgegeben. Bis dahin ungeahnte Details der üppigen Dekoration der Girlanden, die von Giovanni da Udine ausgeführt wurde, kamen wieder zum Vorschein. Die beiden Deckenbilder, auf denen der Rat der Götter und die Hochzeit von Amor und Psyche dargestellt sind, fingieren Teppiche und betonen auf diese Weise den festlichen und luftigen Charakter der ganzen Ausmalung, welcher der architektonischen Funktion des Raumes entspricht.

 

zu 11. Raffaels historische Bedeutung