Maltechnik, Farben und Restaurierung

Während der in den 1980er Jahren durchgeführten Restaurierung hat sich Vasaris Angabe, dass Michelangelo in reiner Freskotechnik (buon fresco) gearbeitet habe, nur teilweise bestätigt. Im ersten Teil der Decke wurden noch Partienin Gold und Temperamalerei (pittura a secco) festgestellt, die mit fortschreitender Arbeit immer weniger wurden. Die Bereicherung der Malerei durch kostbare Pigmente, wie Gold und Ultramarin, die nur in Temperamalerei ausgeführt werden konnten (finiture) , und die Julius II. ausdrücklich wünschte, lehnte Michelangelo mit dem Argument ab, dass die Menschen in jener Zeit keine goldenen Gewänder hatten und dass diejenigen, die er zu malen habe, heilig waren, weil sie die Reichtümer verachteten. Zu dieser Aussage passt es, dass er Condivi und Vasari zufolge von den 3000 Dukaten Honorar nur 20 bis 25 für die Farben ausgegeben hat. Condivi und Vasari geben an, dass der Papst, der die Freskomalerei als ärmlich (povera) ansah, erst auf die finiture verzichtete, als er erfuhr, dass die Gerüste zu diesem Behufe wieder errichtet werden müssten.

An der Frage, ob Condivis und Vasaris Angaben über den Verzicht an Seccomalerei wörtlich zu nehmen wären, entzündete sich anlässlich der Restaurierung eine heftige Debatte. Besonders pointiert war die Behauptung von James Beck, die forcierte Reinigung habe originale Partien in Seccomalerei beseitigt. Tatsächlich musste eingeräumt werden, dass bei der Reinigung zu aggressive Mittel verwendet worden waren, die zusammen mit dem Schmutzbelag auch die zwar alterierte, aber eventuell noch vorhandene Patina beseitigt hatten, mit der Michelangelo möglicherweise die grelle Wirkung der auf Kontrast angelegten changierenden Farben abgeschwächt hatte. Ein Argument zur Verteidigung des Eingriffs war der Hinweis auf die verwandte Farbigkeit des Tondo Doni >L.XI.7. Auch die Farbigkeit der lange in der Zuschreibung umstrittenen, heute aber als Frühwerk Michelangelos anerkannten Grablegung Christi in der Londoner National Gallery bestätigt, dass Michelangelo auf die den älteren Meistern so wichtige Harmonisierung der Farben und der Übergänge keinen Wert legte, ja dass er die Intensität der Kontraste noch verstärkte, indem er statt der Schattierungen changierende Farben verwendete, um den Blick des Betrachters anzuziehen. Nachdem 1994 die Chorwand der Kapelle mit dem Jüngsten Gericht undab 2000 die älteren Wandbilder einer Reinigung unterzogen worden fällt der Kontrast zwischen Decke und Wänden heute weniger ins Gewicht. Dies lässt vermuten, dass die aktuelle Farbigkeit weitgehend dem originalen Eindruck entspricht. 

 

zu 5. Thematik und Deutung