Der pictor papalis Melozzo da Forlì

Von 1477 bis 1484 war der aus Forlì gebürtige Maler Melozzo, der bei einem Mitarbeiter von Mantegna in Padua gelernt hatte, in Rom tätig. Er trug den Titel eines pictor papalis, war also päpstlicher Hofmaler. Vermutlich in dieser Funktion hat Melozzo die nicht mehr bestehende Apsis der Kirche S. Apostoli ausgemalt, welche die Titelkirche des 1474 verstorbenen Papstneffen Pietro Riario gewesen war, der auch in dieser Kirche bestattet wurde. Der Titel ging anschließend an Giuliano della Rovere über, den späteren Papst Julius II. In der Apsis von Santi Apostoli hat Melozzo eine monumentale Himmelfahrt Christi dargestellt hatte, die von Vasari als Werk von Benozzo Gozzoli angesehen wurde, die er jedoch mit höchstem Lob bedachte [Vasari-Mil. III, 52]. Dieses Lob war möglicherweise der Grund dafür, dass vor dem 1708 vorgenommenen Abriss der Kirche Teile der Ausmalung gerettet wurden. Die erhaltenen Fragmente, vor allem die Köpfe von Engeln, aber auch die der Apostel und die Gestalt des auffahrenden Christus zeigen, dass Melozzo in den Verkürzungen und in der Perspektive sehr erfahren war. Sein berühmtestes Werk ist heute das Bildnis, das Papst Sixtus IV. mit seinen Neffen darstellt, ein Wandbild in Freskotechnik, das sich ursprünglich in der Biblioteca Vaticana befand. Es erinnert an die Stiftung der Bibliothek durch Sixtus IV. und gilt als eines der frühesten eigenständigen Gruppenporträts der Kunstgeschichte. Tatsächlich handelt es sich jedoch sowohl um ein Bildnis wie auch um eine Historie, worauf die Inschrift-tafel unterhalb des Bildes verweist. Die weitläufige Pfeilerhalle der Bibliothek ist der Schauplatz der Ernennung von Bartolomeo Platina zum Präfekten der Bibliothek. Der thronende Papst wendet sich dem vor ihm knienden Bibliothekar zu, während hinter ihm die vier päpstlichen Neffen Aufstellung genommen haben. Die prominenteste Figur unter ihnen ist der sich Sixtus IV. zuwendende Giuliano della Rovere, der spätere Papst Julius II. Die Beziehung zu Mantegnas Bildnis der Markgrafenfamilie von Mantua in der Camera degli sposi >L.VI.4 ist offenkundig und zeigt sich besonders deutlich in der Gruppe der Neffen. Die Bildpräsenz der Porträtierten wird in diesem Kontext per se zu einem historischen Ereignis (fatto storico).

Außerhalb Roms ist Melozzos Hauptwerk die Ausmalung einer der vier Sakristeien der Wallfahrtskirche von Loreto, die Sixtus IV. als Bollwerk gegen die Türkengefahr an der Adria errichten ließ. Wegen des großen Zulaufs, das es fand, wurde das Heiligtum eine gute Einnahmequelle für die Kurie und besonders für Girolamo Basso della Rovere, einen der vier Neffen des Papstes, der auch in dem Porträt der vatikanischen Bibliothek dargestellt ist. Melozzo hat kurz vor 1484 das Gewölbe und die Wände der Sacrestia di S. Marco ausgemalt. Der Raum ist als eine ringsum geöffnete Halle aufgefasst, die nur in einer der Arkadenöffnungen eine szenische Darstellung zeigt. In dieser Raumgliederung, aber auch in der Gestaltung des Gewölbes zeigt sich Melozzos Prägung durch Mantegna. Seine Beherrschung des sotto in su, für die ihn noch Sebastiano Serlio 1537 gelobt hat, bezog sich allerdings mehr auf die Architektur und weniger auf die figürliche Malerei. Die Arkadenöffnungen des Raumes sind einer Pfeilerordnung eingeschrieben, die ein vergoldetes Gesims trägt. Darüber folgt ein gemaltes Profil mit Mäanderdekor, das einer gemalten Stufe vorgeblendet ist. Sie dient den Propheten, die auf einer leicht zurückspringenden gemalten Bank sitzen, als Standfläche.

Verstärkt durch die perspektivische Verkürzung scheint das Gewölbe hinter den Propheten steil anzusteigen. Jedes Kompartiment enthält eine hohe rechteckige Öffnung, die gleich einem Fenster den Blick auf den gemalten Himmel freigibt. Vor diesen fiktiven Öffnungen erscheinen acht blondgelockte Engel mit ihren Attributen so schwerelos, als seien sie soeben durch die Öffnungen in den Innenraum hereingeschwebt. Aufgrund der vorwiegend ornamentalen Gestaltung nimmt die räumliche Wirkung der gemalten Architektur im obersten Bereich ab, so dass die gemalte Architektur über dem Kranz mit den Seraphim, d.h. zwischen der gemalten „Kuppel“ und dem inneren Kreis, in die Fläche kippt. Anstelle des oculus , auf dem in Mantegnas Camera picta >L.VI.4 die Illusion der Raumhöhe beruht, findet sich im Zentrum der gemalten Kuppel von Melozzo das Wappen des Auftraggebers. 

zu 8. Grabmalskulptur im Pontifikat Sixtus VI.