Der Hof der Montefeltro in Urbino

Das reiche Kultur- und Kunstleben am Hofe von Urbino, das unter dem 1474 zum Herzog ernannten condottiere Federico da Montefeltro (1422–1482) seine Blüte erlebte, war der Humus für die Karriere von zwei der wichtigsten Protagonisten der Hochrenaissance: Bramante und Raffael. Außerdem stammte auch Baldassare Castiglione, der Autor des berühmten „Libro del Cortegiano” (1513–1518), aus Urbino. In dieser Schrift, die einen Verhaltenskodex für den kultivierten und perfekten Hofmann darstellte, an dem sich die fürstliche Erziehung fortan orientierte, hat der Autor den mäzenatischen Leistungen Federico da Montefeltros ein Denkmal gesetzt. Der Palast, den Federico da Montefeltro errichten ließ, werde – so Castiglione – von vielen für das schönste Bauwerk seiner Art in Italien gehalten. Ausser den üblichen Ausstattungsgegenständen habe er eine Unzahl antiker Statuen erworben, dazu herausragende Gemälde, Musikinstrumente jeder Art und schließlich eine „Vielzahl besonders schöner und seltener Bücher in griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache, die er allesamt mit Gold und Silber ausmalen ließ, in der Überzeugung, dass sie den Ruhm seines großen Palastes krönten“, den er als Stadt in der Form eines Palastes bezeichnet. Die herausragenden künstlerischen Leistungen, die sich der lang währenden und vom militärischen Erfolg und politischen Glück bestimmten Regierung des Markgrafen und späteren Herzogs Federico (1444–1482) verdanken, können hier nur gestreift werden.  

Erzogen durch den Humanisten Vittorino da Feltre, der in Mantua eine in ganz Italien berühmte Schule hielt, begann Montefeltre seine finanziell ertragreiche Laufbahn 1438 als condottiere im Dienst der Visconti, wechselte aber in der Folgezeit mehrfach den Dienstherrn und die Fronten. 1474 wurde er als päpstlicher Bannerträger (gonfaloniere) politischer Gegenspieler der Medici. Obwohl er bei der Pazzi-Verschwörung >L.II.5 auf der Seite des Papstes stand, orientierte er sich in künstlerischer Hinsicht an dem durch das Florenz der Medici bestimmten kulturellen Leitbild. Dies zeigt sich vor allem in der Gestaltung des Palastes, der aus einem Konglomerat älterer Bauten hervorgegangen war und nun durch Luciano Laurana (1468–1472) und ab 1475 durch Francesco di Giorgio Martini (1439–1502) zu einer luxuriösen und modernen Residenz umgebaut wurde. Sie erhielt einen geräumigen Hof, eine bequeme Treppenanlage, üppig ornamentierte marmorne Tür- und Fenstereinfassungen, intarsierte Türfüllungen nach Entwürfen Sandro Botticellis, eine nach antikem Vorbild konstruierte Fußbodenheizung und ein modernes Bad mit geräumiger Badewanne und WC. Montefeltros Arbeitszimmer (studiolo) wurde von Giuliano da Maiano mit einer kostbaren illusionistischen Intarsienverkleidung versehen.

Auf Einladung des Malers Giovanni Santi, Vater des 1483 geborenen Raffael kam Piero della Francesca 1469 zu Besuch nach Urbino. Er hat in den folgenden Jahren einige seiner Hauptwerke für diesen Hof gemalt, darunter die Geißelung Christi, deren Auftragsumstände unbekannt sind, die sich aber später in der Sakristei des Domes von Urbino befand. Sein Altarbild der sogen. Pala Montefeltro aus der Kirche S. Bernardino wurde von Vasari fälschlich dem Fra Carnevale zugeschrieben. Die Datierung, die ursprüngliche Bestimmung und Größe, sowie die Autorschaft des Bildes sind Gegenstand zahlreicher Hypothesen und Kontroversen gewesen. Heute gilt als wahrscheinlich, dass das Gemälde, das als die bedeutendste Sacra Conversazione des 15. Jahrhunderts gilt, vor 1474 entstanden ist. Es war zunächst für die Kirche S. Donato bestimmt, in der Federico Montefeltro 1482 beigesetzt wurde und ist aus nicht näher bekannten Gründen durch den 1477 in Urbino nachgewiesenen Spanier Pedro Berruguete vollendet worden. Entgegen früheren Hypothesen wurden seine Maße später nicht wesentlich verändert. Vor einer tonnengewölbten und mit einer großen Muschel geschmückten Apsis, aus der auffällig ein Straussenei hängt, und deren Wände mit Marmorintarsien verkleidet sind, steht der Thron Mariens, die das auf ihren Knien liegende Kind anbetet. Zu ihrer Linken kniet Federico da Montefeltro in silberglänzender Rüstung und mit seinem wegen des gebrochenen Nasenbeins unverkennbaren Profil. Halbkreisförmig um Maria stehen links und rechts je drei Heilige (links: Johannes der Täufer, Hieronymus, Bernardino, rechts: Franziskus, Petrus Martyr und Johannes der Evangelist). Hinter Maria stehen betend die vier Erzengel. Neuartig ist die chorartige Aufstellung der Heiligen, die Maria in einem weiten Halbkreis umrahmen, sowie die Platzierung der Szene vor der Apsis eines in Renaissanceformen gestalteten Kirchenchors.

Ikonographisch handelt es sich um ein Ex-voto, da der Markgraf von Urbino als Bittsteller vor der Madonna kniet. Daß er für den Sieg in einer Schlacht bittet, legt sein Auftritt in der Rüstung nahe. Die Heiligen, denen die Aufgabe zufällt, ihn der Muttergottes zu empfehlen, hinterfangen die Szene wie ein respektvoller Hofstaat. Die Komposition gilt als Inkunabel eines Bildtypus, den einige Jahre später Giovanni Bellini und andere Venezianer übernahmen >L.XVI.4. Die klassische Architekturkulisse stimmt mit den damals in Urbino gebauten Räumen überein, wie der Vergleich mit der Cappella del Perdono im Dom zeigt. Piero della Francesca war auch gefragt worden, ob er ein Altarbild vollenden wolle, von dem der kurz zuvor dafür eigens nach Urbino gerufene Florentiner Paolo Uccello (1397–1475) nur die Predella gemalt hatte. Er lehnte den für die Corpus-Domini-Bruderschaft von Urbino bestimmten Auftrag jedoch ab, woraufhin der flämische Maler Justus van Gent (nachweisbar 1460–1480) aus Rom berufen wurde. Das von ihm dargestellte ungewöhnliche Thema der Apostelkommunion steht in byzantinischer Tradition und wurde als Symbol für das ewige Priestertum Christi verstanden. Sein 1474 vollendetes Gemälde, das die Bildnisse des Herzogs und seines Sohnes enthält, bezeugt die außerordentliche Wertschätzung der flämischen Malerei durch Montefeltro, die er mit anderen italienischen Potentaten seiner Zeit teilte. Als Folgeauftrag an Justus van Gent entstand die Bildnisserie für Montefeltros Studiolo, die neben Propheten, Philosophen, Kirchenvätern, Dichtern und Denkern auch die Bildnisse einiger Zeitgenossen enthält, darunter das des gerade (1475) gewählten Papstes Sixtus IV.

zu 9. Der Hof der Sforza in Mailand und die Renaissancearchitektur

Sacra Conversazione

 

zu dt. „heiliges Gespräch“)

Ganz allgemein bezeichnet der Begriff die malerischen Darstellungen der thronenden Madonna, die von unterschiedlichen Heiligen umgeben ist und die aufgrund der Gestik und der Mimik den Eindruck erwecken, als ob sie sich miteinander unterhalten. Der Bildtypus der S.C. wird vor allem mit der venezianischen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts assoziiert, da er hier über mehrere Jahrzehnte hinweg eine kohärente Weiterentwicklung erfuhr.

Rona Goffen, Nostra Conversatio in Caelis est: Observations on the Sacra Conversazione in the Trecento, in: The Art Bulletin, 61, Nr. 2 (Juni 1979), 198–222.

Beatrize Söding; SC, in Lexikon für Theologie und Kirche, hg. von Walter Kasper, Bd. 8, Freiburg, Basel etc. 1999, Sp. 1421–1422.

 

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