Mantegnas Triumphzug Caesars

Das umfangreichste Werk, das Mantegna im Dienst des Markgrafen von Mantua schuf, ist der unvollendet gebliebene Zyklus mit dem Triumph Caesars, der aus neun großen Leinwandgemälden besteht. Die Datierung des Zyklus, der Mantegnas gründliche Kenntnis und Auseinandersetzung mit der römischen Antike belegt, und seine ursprüngliche Anbringung sind dokumentarisch nicht fixierbar und waren daher für lange Zeit Gegenstand von Spekulationen und Hypothesen. Als wahrscheinlich gilt heute, dass der Auftrag zu den Leinwänden nach 1484 erfolgte, und dass Mantegna von 1486 bis zu seinem Tod (1506) an ihnen arbeitete. Als er 1488–1489 in Rom weilte, um dort eine Kapelle für Papst Innocenz VIII. auszumalen, war ein Teil der Gemälde vollendet. Während der sich über viele Jahre hinziehenden Arbeit an den Gemälden versäumte es keiner der hochrangigen auswärtigen Besucher des Gonzaga-Hofes, sich die Leinwände anzuschauen, darunter anscheinend auch Papst Julius II. bei seinem Aufenthalt in Mantua im Jahr 1506. Im gleichen Jahr wurde der Zyklus in einer Galerie im neuen Palast der Gonzaga bei S. Sebastiano installiert, wo er anscheinend bis zum Ende des 16. Jahrhunderts blieb. Seit 1629 befindet sich die gesamte Folge im Besitz des englischen Königshauses. Wie berühmt und bekannt die Gemälde waren, zeigt sich auch daran, dass sie noch zu Mantegnas Lebzeiten in Kupferstichen verbreitet wurden. Da Mantegna selbst in der Technik des Kupferstiches erfahren war, könnte diese erste Umsetzung der Serie in den Kupferstich sogar auf seinen Angaben beruhen.

Die überlebensgroßen und in Unteransicht gegebenen Figuren füllen den gesamten Vordergrund aus; nur in zwei Bildern ist ein Landschaftshintergrund zu sehen. Eröffnet wird der Zug durch Fanfarenbläser sowie Banner- und Standartenträger mit den Fahnen der Besiegten. Die drei nächsten Bilder sind der Prozession der erbeuteten Statuen, Büsten und Inschriften, Rüstungen und Waffen sowie den in kostbare Behälter gefüllten Vasen und Silbergefäßen gewidmet. Ihnen folgen junge Männer mit Ochsen, Elefanten, die brennende Kandelaber und zwei Jünglinge auf dem Rücken tragen. Dieses Motiv belegt, dass Mantegnas Quelle Flavio Biondo’s Schrift „Roma triumphans“ von 1452 war. Biondo seinerseits benutzte mehrere antike Quellen, in denen die römischen Triumphzüge Caesars beschrieben sind (Sueton, Livius, Plutarch und Plinius). Weitere Beutestücke werden auf Gestellen präsentiert, es folgen die Trophäen und die Helme der Heerführer. Die letzten drei Episoden zeigen die Gefangenen, gefolgt von Fanfarenbläsern, die den Höhepunkt des Zuges ankündigen. Die Szene IX zeigt den Wagen des Triumphators, der würdevoll auf dem reich geschmückten Triumphwagen thront, während im Hintergrund ein mit Statuen geschmückter römischer Triumphbogen zu sehen ist. Vorgesehen war mit Sicherheit ein zehntes Bild, das die römischen Würdenträger darstellte. Es wird durch eine Zeichnung nach Mantegna dokumentiert, die gestochen wurde.

Die Darstellung von Gegenständen militärischen Gebrauchs, vor allem von Rüstungen und Waffen, stellte hohe Ansprüche an den Maler, da die Auftraggeber selbst Kenner auf diesem Gebiet waren. Obwohl Mantegna ein begeisterter Erforscher der Antike war, richtete er sich bei der Wiedergabe der im Zug mitgeführten Gegenstände nach modernem Gerät, so etwa bei dem Triumphwagen Caesars. Es ist umstritten, ob dies eine Folge des Mangels an geeigneten antiken Vorlagen war oder ob möglicherweise keine archäologisch getreue Rekonstruktion beabsichtigt war. Eng damit zusammen hängt die Frage, inwieweit hier konkrete Anspielungen auf den Auftraggeber Francesco Gonzaga intendiert waren. Die Gesichtszüge Caesars folgen einem durch Münzbilder und Büsten überlieferten Typus. Gerade für Herrscher im Stil der Gonzaga in ihrer Doppelfunktion als Heerführer und Landesherr war Caesar ein ideales Vorbild. Mit Mantegnas prominent platziertem Zyklus wurde ein Prototyp für die Gestaltung von Triumphzügen geschaffen, von dem dank der Verbreitung im Kupferstich und in Kopien im 16. Jahrhundert eine immense Wirkung ausging.

zu 6. Der neue Stil etabliert sich – Donatello und Mantegna