S. Sebastiano in Mantua
Neben Rimini gehörte Mantua zu den Residenzen, mit denen Alberti seit 1459 enge Verbindungen pflegte. Zwei Kirchenfassaden, die auf Alberti zurückgehen, sind das Ergebnis dieser Kontakte. Als das von Pius II. einberufene Konzil von Mai 1459 bis Januar 1460 in Mantua tagte, befand sich auch Alberti im Gefolge des Papstes. In dieser Zeit lernte er den Markgrafen Ludovico Gonzaga kennen und entwarf in seinem Auftrag den Neubau der etwas außerhalb der Stadt gelegenen Kirche S. Sebastiano, deren Realisierung dem Mantuaner Hofarchitekten Luca Fancelli oblag, der ein Schüler von Brunelleschi war. Wie das ursprüngliche Projekt Albertis aussah, was davon ausgeführt wurde und in welcher Weise es aufgrund des Problems der Bodenfeuchtigkeit später modifiziert wurde, ist nicht geklärt. Es handelt sich um einen auf dem Quadrat basierten Zentralbau mit drei kurzen Armen von gleicher Länge in den Hauptachsen, dem eine Vorhalle an der Eingangsfront vorgelagert ist. Der Bau erhebt sich auf einem hohen Podest, der eine Unterkirche von identischer Ausdehnung beherbergt. Der Vorhalle, die sich in fünf Öffnungen nach dem Schema a-b-c-b-a öffnet, war nach Wittkowers Rekonstruktion eine Treppenanlage in ganzer Breite vorgelagert, entsprechend den Vorstellungen, die Alberti für einen Tempel gibt.
Der auffälligste Unterschied gegenüber den beiden früheren Fassaden ist der Verzicht auf Säulen, die zwar für Alberti als das vornehmste Element der antiken Architektur galten, deren geringe Eignung für einen modernen kubischen Mauerbau jedoch kaum einer Begründung bedarf. Die Höhe des Kubus hätte ein so eklatantes Missverhältnis zwischen dem Bau und seinen Schmuckgliedern zur Folge gehabt, dass Alberti sich offenbar von Anfang an für eine große Pilastergliederung entschied. Ob sie, wie Wittkower vorschlug, mit sechs gleich großen Pilaster-Travéen oder nur mit den heutigen vier Pilastern gegliedert sein sollte, muss offen bleiben. Ungewöhnlich ist die Behandlung der mittleren Travée, in der das Gebälk des Tempeltympanons abbricht, um für das Mittelfenster Platz zu lassen, das aufgrund der in ganzer Höhe der Fassade vorgeblendeten Vorhalle andernfalls als Lichtquelle ausgefallen wäre. Das Vorbild für diese ungewöhnliche Verbindung zwischen Gebälk und Bogen ist der so genannte syrische Bogen, ein geläufiges Motiv der spätantiken Architektur. Obwohl auch S. Sebastiano ein Torso blieb, besitzt der bis auf das Atrium ohne skulpturalen Dekor und Ausstattung gebliebene Bau eine beeindruckende Monumentalität. Wie schon für Brunelleschi war die Schmucklosigkeit der Architektur auch für Alberti ein wichtiges Prinzip. So lehnte er die Ausmalung der Kirchen mit Fresken ab und empfahl statt dessen als Dekor Tafelbilder, vor allem aber Inkrustationen, Reliefs und Statuen.
Albertis Kontakt mit dem Mantuaner Hof blieb auch in den folgenden Jahren erhalten, wozu vielleicht die notwendig gewordenen Eingriffe in die Rotunde der Santissima Annunziata in Florenz >L.IV.4 beigetragen hatten, die unter dem Patronat der Mantuaner Markgrafen stand.