Der Tempio Malatestiano in Rimini und Leon Battista Alberti

Die beiden Höfe, die zuerst in den Gesichtskreis der Renaissance traten, waren Rimini und Mantua. In Rimini herrschte seit dem 13. Jahrhundert das Geschlecht der Malatesta. Seit 1432 regierte Sigismondo Pandolfo Malatesta, ein kulturell aufgeschlossener, zugleich aber rücksichtsloser Tyrann. Jacob Burckhardt sagt über ihn: „Frevelmut, Gottlosigkeit, kriegerisches Talent und höhere Bildung sind selten so in einem Menschen vereinigt gewesen wie in Sigismondo Malatesta.“ Er hatte um sich eine Anzahl von Humanisten versammelt, die er alimentierte und die ihn entsprechend feierten. Sie titulierten ihn als Rex und verfassten Elogen auf ihn und Isotta degli Atti, die 1456 seine dritte Ehefrau wurde, nachdem sie zehn Jahre lang seine Mätresse gewesen war. Der 1458 gewählte Papst Pius II., der zu seinen schärfsten Gegnern und Kritikern gehörte, ließ Malatesta ächten und 1462 als Zeichen öffentlicher Schandzuweisung vor den Stufen von St. Peter in Rom in effigie verbrennen. Der Krieg der Kurie gegen Malatesta, der von Federico da Montefeltro geführt wurde, endete 1463 mit seiner Niederlage und Unterwerfung. Als Denkmal seiner Herrschaft und seiner Liebe zu Isotta degli Atti ließ er in Rimini den Tempio Malatestiano errichten, der eine ältere Kirche ersetzte und der das einzige Bauwerk ist, das sich aus der Zeit seiner Herrschaft erhalten hat. Bereits 1447 hatte Malatesta eine Kapelle an die Südseite der dem hl. Franziskus geweihten Kirche anfügen lassen, die seinem Namenspatron, dem hl. Sigismund, geweiht wurde und für die Piero della Francesca 1451 eines seiner frühesten genau datierbaren Wandbilder gemalt hat, das ihn betend vor seinem Namenspatron darstellt.

Im Hintergrund ist seine möglicherweise auf einen Entwurf Brunelleschis zurückgehende Burg, das nicht erhaltene Castello Sismondo, zu sehen, das 1446 vollendet wurde; im Vordergrund lagert ein elegantes Windspiel. Das strenge und stilisierte Profilbildnis folgt der gleichen Typologie wie das in der Kirche mehrfach wiederholte, von Agostino di Duccio geschaffene Porträtrelief des Stifters. Die Bildnisstrategie des humanistisch gebildeten Auftraggebers unterlag festen Regeln, wie sich an der Befolgung des Prototyps seines Bildnisses zeigt. Als solcher ist Pisanellos 1445 entstandene Porträtmedaille anzusehen, die auch Matteo de’Pastis Medaille von 1446 zugrunde lag. Anlässlich der Grundsteinlegung für den Umbaus der Kirche zu einem grandiosen Tempel, der eine gewaltige Kuppel nach dem Vorbild des römischen Pantheon erhalten sollte, wurde 1450 eine Medaille von Matteo de’Pasti geprägt. Es hat jedoch den Anschein, dass der Baubeginn erst 1453 erfolgt ist. Vasari gibt an, daß das Modell für das Bauwerk von Leon Battista Alberti stammte. Aus seinem an den leitenden Architekten Matteo de’Pasti (1420–1467) gerichteten Brief vom 18. November 1454 geht hervor, dass ein nach seinen Angaben gefertigtes Modell des Tempels existierte. Eine in mehreren Versionen vorliegende Miniatur zeigt den Bau während der Ausführung der Marmorverkleidung. Vermutlich gelangte die Realisierung des Bauwerks nicht weit über den Zustand hinaus, den die Miniatur festhält. Von 1449 bis 1457 war der aus Florenz stammende Agostino di Duccio für die skulpturale und dekorative Innenausstattung des Bauwerks tätig, die zu den einheitlichsten Ensembles ihrer Art gehört. Das ungewöhnliche Bildprogramm der Kapellen, in dem sich christliche und profane Ikonographie mischen, ist von nahezu heidnischem Charakter, und wurde daher von Papst Pius II. ausdrücklich kritisiert. So gibt es außer der Kapelle, die den Vorfahren Malatestas gewidmet ist (cappella degli Antenati) eine „Kapelle der kindlichen Spiele“, eine „Kapelle der Sieben Planeten“ und eine „Kapelle der Sieben Freien Künste“. Die neuplatonische Grundlage des Programms legt es nahe, seinen Konzeptor ebenfalls in Alberti zu vermuten.

Über einem zweistufigen glatten Podest, das auch die Flanken umläuft – entsprechend Albertis Forderung zur Höherstellung von Tempeln auf eine Anhöhe (suggestum) – erhebt sich eine Fassade, die durch eine große korinthische Ordnung in drei Travéen unterteilt ist, nach dem Schema a-b-a. Sie trägt ein reiches Gebälk mit der Stifterinschrift im Fries, das über den Säulen verkröpft ist. Auf diesem setzt in der mittleren Achse eine Pilasterordnung an, die eine weitere Bogenöffnung rahmen sollte, deren Ansatz noch erkennbar ist und die das hier befindliche Fenster für das Mittelschiff überfangen und teilweise wohl auch verdunkelt hätte. Die Darstellung auf der Medaille zur Grundsteinlegung sieht im oberen Teil der Fassade eine andere Lösung vor, die sich aus der venezianischen Tradition ableiten lässt. Die Ummantelung der beiden Flanken, deren originelle Gliederung durch Wandnischen zwischen klobigen Pfeilern dazu diente, die Sarkophage von Humanisten und anderen Mitgliedern des Malatesta-Hofes aufzustellen, wurde nur bis zur vierten Kapelle vollendet. Entsprechend einer Empfehlung Albertis für Tempelfassaden wurde weißer istrischer Marmor für die Umkleidung verwendet. Nach 1460 kamen die Arbeiten aufgrund der für Malatesta widrigen politischen Umstände nahezu zum Erliegen. Die riesige geplante Kuppel, die anstelle der älteren Konstruktion des Chorbereichs einen neuen und wesentlich stabileren Unterbau erfordert hätte, blieb unausgeführt. Das Dach wurde von 1462 bis 1468 in der heutigen Form ausgeführt und erst 1503 folgte die Apsis.

Obwohl der Tempel ein Torso geblieben ist, gilt er – zumindest im Hinblick auf seinen Außenbau – als epochemachendes Bauwerk der Renaissance. Murray stellt dazu fest: „Die Bedeutung des Tempio Malatestiano in Rimini für die Architekturgeschichte ergibt sich aus der Tatsache, dass es sich um das erste moderne Beispiel der Anwendung einer klassisch-antiken Lösung für die Fassade einer traditionellen christlichen Kirche handelt.“ Wittkower, der die Fassadenlösungen antiken Stils für basilikale Kirchen genauer untersucht hat, wies darauf hin, dass die Übertragung des dreiteiligen Triumphbogenmotivs auf die Kirche zu Problemen führen musste, weil der basilikale Querschnitt mit niedrigen Seitenschiffen keine Übertragung des Triumphbogenmotivs in der Art des römischen Septimius Severus-Bogens erlaubte, bei dem die große Ordnung der vorgeblendeten Halbsäulen eine Attika trägt. Die Kombination des Triumphbogenmotivs mit einem dreieckigen Giebeltympanon, wie sie im Tempio Malatestiano zum ersten Mal realisiert wurde, sollte zum Prototypus für die Gestaltung der Kirchenfassade als einer der wichtigsten Bauaufgaben der Renaissancearchitektur werden.

Gemessen an der Fassade des Tempio Malatestiano treten die Prinzipien, die Alberti beim Eingriff in ältere Baustrukturen vertrat, mit größerer Konsequenz an der 1460 begonnenen, aber erst 1477 fertiggestellten Fassade der Kirche S. Maria Novella in Florenz hervor, die Alberti bereits um 1440 konzipiert hatte. In seinem Brief von 1554 hatte er dazu erklärt: „Man will das, was vorhanden ist, verbessern und das, was geschaffen werden soll, nicht verderben“. Die gotischen Arkosolgräber, die schmale Blendarkatur des Erdgeschosses und die drei Eingänge des im 14. Jahrhundert vollendeten Bauwerks mussten in das neue Maßsystem integriert werden. Dies gelang mit Hilfe einer auf dem Quadrat beruhenden zweifarbigen Verkleidung. Das Problem der Höhe des gotischen Innenraums und der entsprechend hohen Position des Oculus-Fensters löste Alberti durch die Einführung eines Attikageschosses, auf das ein Obergeschoss folgt, das mit seinem Dreiecksgiebel der antiken Tempelfront von der Art der Fassade des römischen Pantheon entspricht. In Florenz gibt es allerdings keine Voll- oder Halbsäulen, sondern eine aufgeblendete Pilasterordnung, die ein ausgebildetes Gebälk trägt. Die Pilaster sind für Alberti die Projektion von Pfeilern, die er als quadratische Säulen bezeichnet. Die hohen Seitenschiffdächer verstecken sich hinter geschwungenen Wandstücken, die zwischen Attika und Giebelbekrönung vermitteln. Das Erdgeschoss wird durch eine verkröpfte große korinthische Ordnung artikuliert, der sich sowohl die älteren hohen Blendbögen über den Grabnischen wie auch die das mittlere Portal rahmenden Pilaster unterordnen. An den Außenkanten werden die Säulen mit einem kräftigen Pfeiler gekuppelt, der den stabilisierenden Rahmen des ganzen Baukörpers darstellt, da er bis in die Attika fortgeführt wird.

zu 2. S. Sebastiano in Mantua