S. Maria degli Angeli und Santissima Annunziata

Ein wichtiger, wenn auch in seiner heutigen Gestalt nicht gelungener Florentiner Zentralbau ist das ehemalige Oratorium S. Maria degli Angeli. Dass es ein Werk Brunelleschis ist, sieht man dem Grundriss kaum an, der das einzig authentische Relikt des später in entstellter Form ausgeführten Gebildes ist. Das Vorbild dieses Baues, welcher der erste reine Zentralbau des 15. Jahrhunderts geworden wäre, ist der antike Tempel der Minerva Medica in Rom: ein mittleres Oktogon, das von einem Kranz von acht Radialkapellen umgeben ist, dem in der Hauptachse ein quadratischer Anbau vorgelagert sein sollte. Das zentrale Oktogon sollte von einer Kuppel überwölbt werden, ebenso auch die Radialkapellen, so dass sich hier ein Gebilde ergeben hätte, dessen Hauptakzente plastische und räumlich artikulierte volumina und nicht geometrisch und linear gegliederte Flächen einer geraden Raumschachtel gewesen wären. Als der Bau 1437 eingestellt wurde, war er noch nicht bis zu den Kapitellen der Pilaster gediehen.

Der Plan fand seine direkte Nachfolge in der Rotunde der Kirche Santissima Annunziata, die 1444 begonnen wurde und die in einer für die Florentiner Architektur ungewöhnlichen Weise sowohl als Memorialbau wie auch als Hauptchorkapelle dienen sollte. Ihr Stifter war Giovanni Francesco Gonzaga, dessen Legat später durch eine Stiftung des regierenden Markgrafen von Mantua, Ludovico Gonzaga, aufgestockt wurde. Den Entwurf, der sich nach dem Vorbild Brunelleschis richtet, lieferte Michelozzo. Brunelleschi kritisierte daran, dass sich die Rotunde ohne Vierung und konstruktive Verbindung direkt an die Kirche anschließen sollte. Die Ausführung des Bauwerks, die Antonio Manetti oblag, kam nicht gut voran. Erst 1477, nachdem der Markgraf von Mantua Druck gemacht hatte, wurde es zum Abschluss gebracht. Vorausgegangen war eine Intervention von Leon Battista Alberti, der zwischen 1460 und 1472 enge Kontakte zum Hof von Mantua unterhielt >L.VI.2-3 und der sich offenbar der konstruktiven Probleme des Baues angenommen hatte. Das Resultat ist trotz der Assoziationen der halbkreisförmigen Kuppel mit dem römischen Pantheon in der Raumwirkung nicht besonders geglückt, wie schon Vasari feststellte, der die Rotunde als capricciosa e difficile bezeichnete. Trotz der ungünstigen Auspizien, unter denen die beiden Florentiner Zentralbauten der Frührenaissance standen, wurden ihre Grundrisse zu einer wichtigen Grundlage der Auseinandersetzung mit der Zentralbauidee in der nächsten Generation, vor allem für Giuliano da Sangallo.

zu 5. S. Lorenzo und Santo Spirito