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Im Haus Gothein trafen sich die jüngeren Mitglieder des George-Kreises gerne und oft. Durch ihre „natürliche Jugendlichkeit“ vermochte die schon über 40-jährige Marie Luise Gothein doch eine vertraute Atmosphäre zu schaffen.

Während sie sich an Gundolf und seine Adepten hielt, geriet ihr jüngster Sohn Percy in unmittelbare Nähe Georges. Im September 1910 hatte ‚der Meister‘ das Nesthäkchen der Gotheins auf der Neckarbrücke gesehen und Gundolf gebeten, den Kontakt zu den Eltern herzustellen. Erst 1919, im Alter von 23 und nach Jahren der Werbung um die Gunst Georges, wurde Percy offiziell in dessen Kreis aufgenommen, wie das Foto von dem Heidelberger Pfingsttreffen und Ludwig Thormaehlens Porträtmaske belegen.

George und die Eltern Percys hatten während der komplizierten Beziehung zwischen ‚Meister‘ und ‚Jünger‘ persönlich Kontakt. Eberhard Gothein stand George und seinem Kreis eher ablehnend gegenüber, seine Frau war aufgeschlossener.

Als Frau hatte Gothein jedoch keinen Zugang zum engeren George-Kreis. Sie hielt zu Friedrich Gundolf, als dieser 1926 endgültig wegen seiner Heirat mit Elisabeth Salomon von Stefan George verstoßen wurde. Sein unerwarteter Tod im Juli 1931 bedeutete für sie eine Katastrophe.

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Photographie von Ernst Morwitz: Pfingsttreffen des George-Kreises 1918 in Heidelberg
Stefan George Archiv, Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, StGA Foto 495

II. „Hinaus in die Zukunft leben“ – von Preußen nach Heidelberg