Der französische Kunstmarkt während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg
Während des Zweiten Weltkriegs herrschte auf dem europäischen Kunstmarkt Hochkonjunktur. Gerade in den von Deutschland besetzten westlichen Gebieten boomte der Kunsthandel. Der Erforschung des Kunstmarktes in der Zeit des Nationalsozialismus ist in den letzten Jahren, insbesondere in Folge des Falls um den Kunsthändler Hildebrandt Gurlitt, eine erhöhte Aufmerksamkeit zugekommen. Sammlungen werden intensiv geprüft und unklare Objektprovenienzen erforscht, wodurch die komplexen, transnationalen Verflechtungen der Märkte, innerhalb derer Frankreich eine zentrale Position einnimmt, deutlich zutage treten.
Um die wissenschaftliche Untersuchung dieses Themenfelds zu fördern und die aufs einzelne Objekt bezogene Provenienzrecherche zu unterstützen, ist Grundlagenforschung dringend notwendig.
Das deutsch-französische Forschungsprojekt Repertorium zum französischen Kunstmarkt während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg möchte hierzu einen Beitrag leisten.
Das Projekt ist am Institut für Kunstwissenschaft und historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin und dem Institut National d’Histoire de l’Art Paris Répertoire des acteurs du marché de l’art en France pendant l’Occupation angesiedelt.
Ziel ist es, auf Grundlage intensiver Archivrecherchen, wichtige Akteure auf dem französischen Kunstmarkt und ihre Kontakte untereinander zu identifizieren und die Ergebnisse in der zentralen Datenbank AGORHA zu bündeln, die vom INHA unterhalten wird.
In der ersten Phase, in der die TU an dem Projekt beteiligt ist und die durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste mitfinanziert wird, liegt der Fokus vorrangig auf den Akteuren, die nachweislich oder vermutlich in den Handel mit von den Nationalsozialisten beschlagnahmten Kunstwerken involviert waren, den deutschen Museen, die Ankäufe auf dem französischen Kunstmarkt der Zeit getätigt haben, sowie auf den Opfern, den enteigneten, meist jüdischen Händlern und Sammlern. Es werden Informationen zur Rolle der Personen und Institutionen auf dem Kunstmarkt gesammelt sowie Angaben zu weiterführenden Archivquellen bereitgestellt. Dazu wird in den Pariser Archiven (Archives Nationales, Archives de Paris, Archives diplomatiques des Affaires étrangères u. a.) und in deutschen Archiven (Bundesarchiv in Berlin und Koblenz, Landes-, Stadt- und Museumsarchive sowie öffentlich zugängliche Nachlässe einzelner Händler) nach Quellenmaterial recherchiert. Die eruierten, für die Thematik des französischen Kunstmarktes relevante Archivbestände in Deutschland und Frankreich werden in einer Übersicht auf beiden Sprachen zur Verfügung gestellt.
Es besteht enger Kontakt, sowohl mit den Provenienzforschern der Musées Nationaux, die zum Bestand der "Musée Nationaux Récupération" recherchieren, als auch zu den Mitarbeitern der Kommission für die Entädigung antisemitischer Enteignungen während der Okkupationszeit (CIVS). Eine neue Kommission für Provenienzforschung wurde gegründet. Zudem wird auf deutscher Seite ein kontinuierlicher Kontakt und Austausch mit dem Arbeitskreis Provenienzforschung gepflegt, um die Materialsuche möglichst effektiv gestalten zu können. Für die Erstellung der biographischen Einträge werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einbezogen, die durch ihre Forschung Expertise zu einzelnen Akteuren besitzen. Mit den in AGORHA erfassten Daten wird es möglich, die Kontakte zwischen den Akteuren digital zu verlinken und das sich so ergebende Netzwerk virtuell nachzuzeichnen. Die Datensätze sind darüber hinaus mit den digitalen Ressourcen des INHA verknüpfbar, wodurch z.B. in den digitalisierten Auktionskatalogen des Hôtel Drouot aus den Jahren der Besatzung gezielt auf Objekttransfers verwiesen werden kann. Das Repertorium, das open access konsultierbar sein wird, soll der internationalen Provenienzforschung als Nachschalgewerk und Quellenverzeichnis sowie der Kunstmarktforschung als Mittel der Netzwerkanalyse zur Verfügung gestellt werden.
Ein weiteres Projekt, ebenfalls am Institut für Kunstwissenschaft und historische Urbanistik der Technischen Universität Berlin angesiedelt, forscht unter dem Titel "Die Erwerbungen der Staatlichen Museen zu Berlin auf dem Pariser Kunstmarkt während der Besatzung 1940-1944" zu Akteuren und Netzwerken des Pariser Kunstmarktes, ausgehend von den Erwerbungen der Staatlichen Museen zu Berlin während der Besatzungszeit.
Auf dem Themenportal „Der französische Kunstmarkt während der Deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg“ werden Neuigkeiten und Veranstaltungen rund um die Erforschung des französischen Kunstmarkts während der NS-Zeit und Provenienzforschung in Frankreich veröffentlicht, um die deutsche Fachcommunity zu erreichen. Es lohnt sich auch ein Blick auf die Seite des INHA.