Studien und andere Werkkategorien

In seinem «Verzeichnis der Leinwände» unterschied Emmenegger strikt zwischen sechs Werkkategorien. In Bezug auf jedes einzelne Werk, aber auch in Bezug auf seine Arbeitsweise als Ganzes sind diese Kategorien ausgesprochen aufschlussreich: «Studie» bedeutet immer, dass er das Werk unter freiem Himmel schuf. Als «Esquisse» bezeichnete er die Umsetzung einer Idee ohne direkte Naturvorlage (siehe Abb.). «Studie-Esquisse» steht für eine Studie, die er mit einer Idee kombinierte. Ein «Bild» bezeichnet immer ein im Atelier nach dem Vorbild einer Studie, Esquisse oder Studie-Esquisse geschaffenes Werk. Die beiden letzten Kategorien bei Emmenegger, «Pochade» und «Panneau decoratif», kommen im Verzeichnis der Leinwände seltener vor; sie stehen für kleinformatige Landschaftsskizzen und grossformatige Festdekorationen.

Im untersuchten Zeitraum stützt sich Emmeneggers Schaffen ganz auf seine Studien. Oft unter grossen Mühen im Freien geschaffen, ist die Studie das Bindeglied zwischen dem unmittelbaren Natureindruck und dessen Synthese im Bild. Wenn Emmenegger nach einer Malerreise mit neuen Studien nach Hause kam, unterzog er sie stets einer Bildkritik, die er, meist unter der Überschrift «Studiennotizen», schriftlich festhielt. Die «Studiennotizen» bringen seine Synthesearbeit auf den Punkt, denn im Wesentlichen listete er darin die Änderungen auf, die er beim Malen des eigentlichen Bildes vorzunehmen plante und, wie dem Maltechnik-Notizbuch zu entnehmen ist, oft auch so, wie er sie geplant hatte, ausführte.

Manchmal konnte der Maler der Versuchung nicht widerstehen, an der Studie selbst nachträglich gewisse Änderungen vorzunehmen, und bedauerte dann, durch solche Eingriffe die Frische des Natureindrucks verloren zu haben. Er beschloss deshalb, sich nur unmittelbar nach der Heimkehr von seinen Malerfahrten noch solche Änderungen zu erlauben, solange die Erinnerung an den Natureindruck noch intakt war. Im Sommer 1902, nach seiner Malerreise an den Luganersee, schrieb er in sein Tagebuch: «Studiennotizen doppelt führen. 1. St[udie] mit Natur vergl[e]ich[en]. 2. Veränderungen als Bild.»

Emmenegger wählte bewusst relativ grosse Formate für seine Studien, obwohl die in logistischer Hinsicht mühsame Arbeit im Freien dadurch nicht leichter wurde. Wie er in seinem Tagebuch notierte, lag ihm daran, in der Studie keine formalen Unklarheiten mit nach Hause zu nehmen, die ihn bei der Umsetzung im Bild vor Rätsel stellen würden. Die Bilder nach den Studien führte er entweder gleich gross oder kleiner aus.

Im Unterschied zu anderen Künstlern, die ihre Freilichtstudien in der Werkstatt weiter zu Gemälden ausarbeiteten, behielt bei Emmenegger eine Studie immer ihren ursprünglichen Status als Studie bei. Im Verzeichnis der Leinwände gibt es zwar Korrekturen der Titel, aber nicht der Kategorien.