Stellungnahme

Stellungnahme zu Antje von Graevenitz: Rezension von: Kirsten Claudia Voigt: Joseph Beuys liest Friedrich Nietzsche. Das autopoietische Subjekt. Von der Artistenmetaphysik zur Freiheitswissenschaft, München: Schirmer / Mosel 2016, in KUNSTFORM 18 (2017), Nr. 1

Trotz des positiven Gesamturteils, zu dem Antje von Graevenitz über meine Untersuchung kommt, weist diese Rezension leider einige Fehler und Missverständnisse auf, die richtigzustellen sind:

1. Es trifft nicht zu, dass ich mich seit meiner Dissertation von 1996 "zumeist" mit Beuys' Verhältnis zu Nietzsche befasst habe. Es existiert seither ein gutes Dutzend Beiträge von mir über Beuys in Katalogen und Sammelbänden, die sämtlich öffentlich zugänglich und keine "graue Literatur" sind. In einem einzigen Aufsatz (am Beginn meiner Forschung zu Beuys und Nietzsche 2011) berichte ich vom Fund der Nietzsche-Annotationen und gebe erste Einblicke. Alle anderen Publikationen widmen sich anderen Themen.

2. Es trifft nicht zu, dass ich mich von Dieter Koepplin "zu etlichen Zeichnungen im Hinblick auf Nietzsche beraten" lassen habe. Ein einziges Mal hat Dieter Koepplin im Anschluss an meinen Vortrag über Beuys und Nietzsche anlässlich des Beuys-Symposiums 2011 in Düsseldorf mir gegenüber eine Bemerkung zu einem Detail der "Zarathustra"-Zeichnung gemacht, für die ich mich - obwohl ich ihren Inhalt nicht teile - im damals anschließend publizierten Aufsatz bedanke. Seine schon zuvor publizierte Beschreibung dieser Zeichnung diskutiere ich nun im Buch. Hätte es "Beratungen" durch ihn zu "etlichen Zeichnungen" gegeben, hätte ich diese im Buch natürlich erwähnt und mich dafür bedankt.

3. In meiner Arbeit rekurriere ich ausschließlich auf die Primärquellen und auf kunstwissenschaftliche und philosophische Fachliteratur. Rhea Thönges-Stringaris erhebt selbst nicht den Anspruch, mit Je länger aber das Ereignis sich entfernt... Zu Joseph Beuys und Peter Handke derartige Forschungsliteratur vorzulegen, sondern schreibt in einer treffenden Charakterisierung ihres eigenen Textes auf S. 8: "Vom anfänglichen Vorhaben, zu Beuys und Handke eine wie auch immer kunst- und literaturwissenschaftliche Betrachtung zu liefern, bin ich abgerückt. Daraus geworden ist eher ein persönliches Bekenntnis mit Fragecharakter. Motive, Bilder, Ideen, auf die ich bei Beuys, bei Handke gleichermaßen seit nunmehr dreißig Jahren stoße, sie rühren an Befindlichkeiten, in denen bereits das Kind, das ich war, sich vage im Traum auskannte." Auf S. 34 schreibt sie außerdem: "Weder Beuys noch Handke haben sich kontinuierlich, geschweige denn systematisch mit Nietzsche befaßt."

4. Werkanalysen sind aus prinzipiellen methodologischen Gründen nicht Teil dieser quellenkritischen, ideengeschichtlichen und komparatistischen Studie. Ich diskutiere weder fremde Werkanalysen - wie etwa die von Frau von Graevenitz 2009 selbst zum Leitern-Motiv bei Beuys vorgelegte, auf die sie anspielt - noch stelle ich eigene an. Meine Arbeit untersucht systematisch Nietzsches Texte und Beuys' Annotationen. Diese münden in Verweise auf Zitate, Paraphrasen, Analogien, Anspielungen oder strukturelle Parallelen in zahlreichen von Beuys' Werken oder Äußerungen. Die Untersuchung konzentriert sich damit auf Phänomene der Intertextualität, Intermedialität, Ikonographie und Grundpositionen der Philosophie Friedrich Nietzsches und ihre mögliche Relevanz für Elemente in Beuys' bildnerischem Werk, seinen theoretischen Äußerungen und der ästhetischen Fundierung des Erweiterten Kunstbegriffs. Zu diesen Topoi gehören wesentlich u.a. Nietzsches Erkenntnistheorie, seine Leib-Philosophie, das Konzept des Übermenschen, die Umwertung aller Werte, der Perspektivismus, seine Äußerungen zur subjektgenerierenden Funktion der Sprache und Grammatik, zur Musik, zur Erziehung, seine Pionierrolle im Bezug auf Performativität, die Rolle des Schaffenden, das Bekenntnis zu Europa, der Begriff der Dekadenz, die Bedeutung des Individuums, der Subjektbegriff, der Willensbegriff und die Idee der Ewigen Wiederkehr.

Anmerkung der Redaktion: Antje von Graevenitz hat auf eine Replik verzichtet.

Kommentar

Stellungnahme von Dr. Kirsten Claudia Voigt zu Antje von Graevenitz: Rezension von: Kirsten Claudia Voigt: Joseph Beuys liest Friedrich Nietzsche. Das autopoietische Subjekt. Von der Artistenmetaphysik zur Freiheitswissenschaft, München: Schirmer / Mosel 2016
in KUNSTFORM 18 (2017), Nr. 1