Rezension

Jean-Luc Martinez / Patrick Boucheron / Paul Mironneau: Théâtre du Pouvoir. , Paris: Musée du Louvre 2017, 152 S., ISBN 978-2-02-136231-2, 29.00 EUR
Buchcover von Théâtre du Pouvoir
rezensiert von Miriam Schefzyk, Institut für Kunstgeschichte, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

Der vorliegende Band erschien anlässlich der Ausstellung Théâtre du pouvoir in der 2015 eröffneten Petite Galerie im Richelieu-Flügel des Pariser Louvre (24. September 2017 bis 7. Juli 2018). [1] Im Anschluss wird sie in Schloss Pau (Béarn, Pyrénées-Atlantiques) zu sehen sein (September 2018 bis April 2019). Zur Einführung in die Sammlung des Louvre wendet sich die Ausstellung an ein sehr breites Publikum, vom Schüler bis zum interessierten Laien. [2]

Der Begleitband greift dementsprechend das Format eines thematischen Einführungskurses auf: Anhand von 59 abgebildeter Objekte wird in sechs Kapiteln die Wechselbeziehung zwischen Kunst und Macht von der Antike bis heute dargestellt. [3] Damit lehnt sich die Publikation an objektorientierten Formaten wie der sehr breit rezipierten History of the World in 100 Objects an, die Neil McGregor, Direktor des British Museum, 2010 vorlegte. [4]

Bedauerlicherweise folgen die Autoren dabei keinem einheitlichen Konzept. Entweder werden nach einem kurzen Einleitungstext einzelne, thematisch verwandte Werke besprochen, oder die Präsentation der Objekte ist in einen Fließtext integriert. Auf Fußnoten wird verzichtet, zur weiteren Vertiefung kann der interessierte Leser aber auf eine die essentiellen Publikationen umfassende Literaturauswahl zurückgreifen (148).

Martinez und Florence Dinet besprechen im ersten Kapitel, "Les figures du prince", verschiedene Herrscher-Rollen: Vom Bauherrn, der Tempel und Städte erschafft, über den Monarchen in seiner Funktion als Vermittler zwischen Göttern beziehungsweise Gott und den Menschen bis zum Kriegshelden, der Gerechtigkeit sowie Frieden und Wohlstand garantiert. Die überzeitliche Gültigkeit dieser Rollen illustrieren vorwiegend Beispiele aus Frühgeschichte, Antike und dem 16. Jahrhundert. Der Einfluss der Antike und die Übernahme antiker Modelle durch die französischen Könige, wie beispielsweise das Reiterstandbild Ludwigs XIV. von François Girardon (vor 1704), das sich an die Reiterstatue Marc Aurels (um 165-180) anlehnt (75), wird von beiden Autoren im dritten Kapitel herausgestellt.

Dem voraus geht Paul Mironneaus Darstellung der Bildpolitik Heinrichs IV. im zweiten Kapitel. Der erste Bourbonen-König war der Thronfolger Heinrichs III., dem letzten König aus dem Hause Valois, der 1589 ohne legitimen männlichen Nachkommen starb, sodass die Legitimität Heinrichs IV. fortwährend in Frage gestellt wurde. Um dem entgegenzuwirken, entwickelte dieser ein ausdifferenziertes Bildnisprogramm, das in unterschiedlichsten Gattungen und Materialien Umsetzung fand: Als Bronzeguss, in Öl auf Leinwand, als Silberfigur oder in Keramik- und Porzellanarbeiten.

Ebenso breit gefächert war die Ikonografie: Heinrich IV. inszenierte sich als Heerführer, der den Religionskrieg beendete und somit seinem Königreich Wohlstand schenkte, als gallischer Herkules oder auch als fürsorglicher Familienvater. Ludwig XVI. erhob Heinrich IV. später zu einem Mythos, der während der Restauration im 19. Jahrhundert der Rückkehr der Bourbonen auf den französischen Thron Vorschub leistete.

Besonders gelungen ist die Aufarbeitung von Anne Dion-Tennebaum, "Les insignes du pouvoir", über die Wiederverwendung und Neukreation königlicher Insignien zur Krönung Napoleons I. Sie arbeitet deutlich die Erfindung einer neuen Bildsprache heraus, der auch die Revolution bedurfte. Für die Zeit um 1792/94 und von 1833 bis 1850 untersucht diese Thematik Stephanie Deschamps-Tan und zeigt, wie die Personifikation der Republik Frankreich in Anlehnung an die antike Göttin Athene entstand.

Dion-Tennebaum führt die Erörterung der regalia zwischen Tradition und Erneuerung weiter, indem sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Kodifizierung des offiziellen königlichen Porträts von Ludwig XV. über Napoleon I. und Louis-Philippe bis hin zu Napoleon III. erläutert. In der Ausstellung wird dieser Vergleich auf einem digitalen Diapositiv sogar bis hin zum offiziellen Porträt Emmanuel Macrons von Soazig de La Moissonnière durchexerziert. Bedauerlicherweise fand das aber keinen Eingang in den Begleitband.

Hier vertreten vier Porträts des Fotografen Olivier Roller den zeitgenössischen Blick. Roller möchte den Betrachter auf die Inszenierung offizieller Porträts aufmerksam machen und durch einen "réalisme sans concession et souvent cruel" (115) umgehen. Dies gelingt ihm jedoch nur bedingt. Zwar legt er einerseits Schönheitsfehler bzw. Makel der Porträtierten frei und grenzt sich so vom uniformen ästhetischen Idealismus ab, andererseits nutzt er selbst Posen und Lichteffekte in seiner Komposition, die nicht hinterfragt werden. Eine Dekodierung moderner Staatsporträts wäre an dieser Stelle sinnvoller gewesen.

Zum Ende bietet der Band eine Anleitung für fünf weitere thematische Parcours in der Dauerausstellung des Louvre. Dabei ist erfreulich, dass ganz unterschiedliche Kunstgattungen Berücksichtigung finden, darunter auch komplexe Objekte wie der Tisch aus der Gobelin-Manufaktur von 1669: Eine eingelegte Porphyr-Platte, die in der Antike mit der Hoheit des Kaisers assoziiert war, stellt eine Verbindung zwischen diesen Herrschern und Ludwig XIV. her (142).

Insgesamt wird der Katalog seinem Anspruch gerecht, den Betrachter an die Sammlung des Louvre heranzuführen. Durch den Schwerpunkt der Machtinszenierung und die in kurzer und vereinfachter Form präsentierten Informationen gibt der Katalog dem Besucher einen ersten Zugang zum Verständnis vielschichtiger Werke. Diese neue Art eines pädagogisch angelegten Besucherführers soll Schwellenängste abbauen und das Erfahren von Kunstwerken einem möglichst breiten Publikum ermöglichen, was durch die Objektauswahl und die Disposition von Text und Bild gelingt. Mithilfe des Katalogs fordert Patrick Boucher den Besucher in der Einleitung direkt zum bewussten Sehen und Betrachten der ausgestellten Kunstwerke auf: "[...] ouvrez les yeux sur la manière dont vous percevez les images qui vous environnent" (13).


Anmerkungen:

[1] Bei der Petite Galerie handelt sich um einen 240 Quadratmeter großen Ausstellungsbereich mit vier Räumen, der sich im ersten Untergeschoss des Richelieu-Flügels befindet. Nach den Ausstellungen zum Mythe fondateurs. D'Hercule à Dark Vadort (17.10.2015-04.07.2016) sowie zu den Corps en mouvement. La danse au musée (06.10.2016-03.07.2017) bildet Théâtre du pouvoir die dritte Sonderausstellung der Petite Galerie. Dieser Bereich ist nicht mit der Galerie d'Apollon zu verwechseln, die im 17. Jahrhundert ebenfalls als Petite Galerie bezeichnet wurde, sich aber in der ersten Etage des Denon-Flügels befindet. Siehe dazu Geneviève Bresc-Bautier (éd.): La galerie d'Apollon au palais du Louvre, Paris 2004.

[2] Vgl. Jean-Luc Martinez: Präsentation zur Einführung in die Ausstellung, 27. September 2017, gefilmt und abrufbar auf der Internetseite des Louvre. Siehe URL: https://www.louvre.fr/autour-de-l-exposition-le-theatre-du-pouvoir?, Stand: 02.02.2018.

[3] Der Katalog behandelt also mehr Objekte als die Ausstellung, die nur vierzig Werke präsentiert.

[4] Neil McGregor: A History of the World in 100 Objects, London 2010.


Miriam Schefzyk

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Empfohlene Zitierweise:

Miriam Schefzyk: Rezension von: Jean-Luc Martinez / Patrick Boucheron / Paul Mironneau: Théâtre du Pouvoir. , Paris: Musée du Louvre 2017
in: KUNSTFORM 19 (2018), Nr. 3,

Rezension von:

Miriam Schefzyk
Institut für Kunstgeschichte, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster

Redaktionelle Betreuung:

Kristina Deutsch